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Aus Königgrätz. IV.
Prag, das alte vielthürmige, an monumentalen Plätzen, hohen schweigsamen Palästen und misanthropischen Heiligenbildern reiche Prag, hat in neuerer Zeit einigen frischen Schmuck angelegt. Seinem Karl, dem Universitätsgründer, seinem faulen Wenzel und Franz zu Ehren hat es Denkmale zu Pferd und zu Fuß gesetzt; sich selber zu Liebe hat es eine dritte Brücke über die Moldau geschlagen und einen hübschen Quai gebaut. Wäre es nur auch in anderer Beziehung etwas reizender geworden! Aber nach Allem, was der Fremde dort hört, wird das Leben in der alten Stadt, trotz ihrer steinernen Schönheit, trotz labender Bierquellen und lustiger Tanzmusik täglich unleidlicher. Der Kampf zwischen Deutschthum und Slaventhum, der sich hoffnungslos in die Länge zieht, verscheucht die Gemüthlichkeit. Wenn der ruhige Bürger noch so vertrauensvoll zur polizeilichen Vorsehung betet und wenn er die Schlafmütze noch so tief über die Ohren zieht, doch schrecken ihn im Schlummer häßliche Traumgestalten, die, mit Morgenstern und Dreschflegel bewaffnet, grinsend durchs Fenster gucken. Zupft Charpie, Kinder, zupft Tag und Nacht — sagt der früher erwähnte prager Doctor und Statistiker, es liegt eine große Prügelei in der Luft, und wollte Gott, sie wäre schon vorüber. Ohne eine kleine Dosis Blut und Eisen wird das Uebel ja doch nicht zu heilen sein.
Ich selbst schlief in Prag drei Nächte, ohne ein Gespenst zu sehen. Dafür begegnete Hmir auf der Reise dahin ein kleiner Philister von geisterhaftem Aussehen und krankhafter Geschwätzigkeit. Es war ein Galanteriewaarenhändler aus Wien, ein blasses dürres Männchen mit gewaltiger Adlernase und einem langen, steif nnd schwarzgewichsten Schnurrbart, der ihm während seiner lebhaften Bewegungen und Gebärden als Balaneirstange zu dienen schien. Unter uns. sagte er, Prag ist finster, das wiener Leben ist hell wie Gold und schmeckt wie Mandeln und Rosinen. Aber allen Respect vor Prag! Sehen Sie, ich bin verheirathet. Ich werde doch einmal Kinder kriegen; meinen Sie nicht? Gut; meine Kinder sollen nicht mit Galanteriewaaren handeln. Wie sie zwei Jahr alt sind, schicke ich sie zu meinen Verwandten nach Smichov. Warum? fragen Sie. Wie können Sie fragen warum? Sie sollen mir ordentlich böhmisch (d. h, czechisch) lernen. Was ist die Hauptsache bei der Erziehung? Französisch. Nun, so wahr ich lebe, kein Deutscher kann gut französisch reden, er bringt den Ton nicht heraus. So'n böhmisches Kind aber kriegt eine Zunge — die ist mit hundert Schleifsteinen gewetzt. Und dann der Geist, die Construction! Zum Beispiel, der Deutsche