238
nur Leichen fahren, aber nicht Feldjäger!" —und drohend und fluchend trieb er den Postillon zu wahnsinniger Eile an. Ich mußte bisweilen mit dem Aermel meines Pelzes Mund und Nase bedecken, das schnelle Fahren bei der strengen Kälte hemmte mir den Athem. Durch solche Chikanen brachte der schändliche habsüchtige Mensch es dahin, daß allein bis Tobolsk sieben Pferde todt zu Boden stürzten. Er hoffte dadurch die PostHalter zu einem theilweisen Nachlaß des Norspanngeldes zn zwingen. — Ich remonstrirte und schalt vergebens und konnte oft kaum an mich halten, wenn ich sah, daß der Postillon auf solche Weise sein bestes, feurigstes Pferd verlor und schluchzend die Stränge desselben durchschnitt. Ich wollte, daß der Feldjäger auf der nächsten Station ihm einen Revers ausstelle, nach welchem der Eigenthümer 20 Rubel Silber Entschädigung erhielt, obgleich das Pferd 40 Rubel werth war. „Ach was" rief der Feldjäger, „wie können Sie sich für einen Betrüger und Taugenichts verwenden, der mir mit Absicht ein krankes Pferd vorgespannt hat; das ist eine alte Finte dieser Canaillen" und dabei blieb es. Doch auf den Stationen, die von Tataren gehalten wurden und jenseit Tjumen immer zahlreicher wurden, konnte der Feldjäger Nichts ausrichten; man verlangte von ihm die volle Zahl der Vorspanngelder und fuhr so schnell, daß er den Fuhrleuten Nichts anhaben konnte. Kaum näherten wir uns einer Station, so hoben die Fuhrleute uns sogleich aus den Schlitten, damit die Pferde keine Minute stehen blieben und eine Stunde lang zur Erholung umher geführt werden konnten. Mit Schadenfreude und Lächeln sahen sie auf den jFeldjäger; die Postillone waren gewandt und ihrer Sache sicher, ihre Pferde leicht und rasch wie der Wind.
Am 22. Februar früh Morgens kamen wir in Tobolsk im Hause des Polizeimeisters an; hier empfing uns ein Polizeibeamter, der uns ersuchte, nicht aus den Schlitten zu steigen, sondern zum Polizeihof zu fahren. Wir waren überrascht über diesen höflichen Empfang, der zu der Wohnungsanweisung einen schroffen Contrast bildete: wir erhielten ein Zimmer im Polizeizuchthause. Unterdessen hatte man unsere Postschlitten nicht weggeschickt, unsere Reisesäcke nicht herausgetragen. Wir waren so schnell gereist, daß wir unsere Kameraden eingeholt hatten, die zwei Tage vor uns aus Petersburg abgefertigt worden waren; bis man sie weiter erpedirte. wurden wir in der Polizei aufgehalten, dann aber in die Wohnung des Polizeimeisters Alex^jew geführt, wo wir zwei Tage in dessen Gastzimmern ruhten und auf Befehl des Civilgouverneurs Bantysch-Kamensky außerordentlich gut bewirthet wurden. Zum Frühstück reichte man uns allein zwölf verschiedene Fischgattungen aus den fischreichen Flüssen Sibiriens. Diese Ruhe und Pflege war uns nothwendig und wurde in vollen Zügen genossen. Am Morgen des dritten Tages mußten wir unsere Reise fortsetzen; statt des