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Kindersprache und Sprachgeschichte
scharfblickenden fremden Beobachter wie Theodor von Bernhardt. Auch auf das Heer überträgt sich diese Höflichkeit im Verkehr der Stände. Auf der Fahrt von Venedig nach Padna, eines Sonntags, saß in meinem Coupe ein stattlicher Unteroffizier der Artillerie mit seinem Mädchen, der zu Ehren er zweiter Klasse fuhr. Als einige Stationen nachher ein junger Jnfanterieoffizier einstieg, stand der Unteroffizier zwar auf und nahm seine Cigarre an die Seite, aber mit einer gewissen Lässigkeit; doch der Leutnant winkte sofort ab, nnd dann unterhielten sich beide durchaus kameradschaftlich, als ob zwischen ihnen nicht der geringste Standesnnterschied vorhanden sei. In ihrem Benehmen trat ein solcher auch nicht hervor.
(Schlus; folgt)
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Kindersprache und Sprachgeschichte
von Friedrich Schroeder
>erodot erzählt eine merkwürdige Geschichte von dem ägyptischen König Psammetich, die ziemlich bekannt geworden und gewiß manchem Leser nicht nen ist. Sein Bericht lnntet: Ehe Psammetich König wurde, glaubten die Ägypter, daß sie die allererste» ! Menschen gewesen seien. Seitdem aber Psammetich König geworden war, der wissen wollte, wer wirklich die ersten waren, halten sie die Phryger für älter nnd sich selbst nur für älter als die übrigen Völker. Psammetich nämlich forschte unch, nnd als er gar kein Mittel finden konnte, z» ergründen, wer die ersten Menschen gewesen seien, ersann er folgendes sinnreiche Verfahren. Er nahm zwei nengeborne Kinder von den ersten besten Eltern und gab sie einem Hirten, daß er sie bei seiner Herde folgendermaßen aufziehe: niemand sollte irgend einen Lnnt vor ihnen hören lassen, in einer einsamen Hütte sollten sie für sich allein liegen, nnr sollte er ihnen zn bestimmter Zeit Ziegen zuführen, und wenn er sie gestillt habe, auch die sonstigen Dienste verrichten. Das that Psammetich, und diese Weisungen gab er, weil er hören wollte, welche Sprache bei den Kindern hervorbrechen würde, wenn die Zeit der undeutlichen Schreilnute überwunden wäre. So kam es denn auch. Der Hirt that das alles, uud als ein Jahr darüber verstrichen war, warfen sich ihm eines Tages, wie er die Thür öffnete uud eintrat, beide Kinder zu Füßeu und riefen, die Hände ausstreckend: bekvs! Zuuächst behielt der Hirt, da er das hörte, die Sache für sich. Als sich aber dieses Wort, wenn er kam und die Kinder besorgte, mehrmals wiederholte, zeigte er sie seinem Herrn an und brachte auf sein Geheiß die Kinder vor sein Angesicht. Uud als es nun Psammetich ebenfalls hörte, forschte er nach, welches Volk irgend etwas betos