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Geduld
ward durch Mißverständnis des Sohnes: Plumbom. Dem Enkel in der Stadt war aber Plumbom zu vulgär, und so nannte er sich hochdeutsch: Pflaumenbaum. Leider kann ich mich hierbei nicht länger aushalten, denn der Zug pfeift, und wir sind wirklich in Fulkum.
Wer der Fulkv wohl geweseu sein mag, der hier sein Heim hatte? Au deu berühmten Krcuzprediger des vierten Kreuzzugs, Fulco von Neuilly, dürfen wir kaum denken, denn der wird wohl ein Franzose gewesen sein. Einen andern Fulko kenne ich aber nicht. Nun, wer er auch gewesen sein mag, jedesfalls thut ihm jetzt kein Zahn mehr weh. Wenn ich aber den Fulkumern des vierzehnten Jahrhunderts heute noch etwas wünschen darf, so wünsche ich ihnen, daß sie nie etwas mit Madame Foelke möchten zu thun gehabt haben, des Ocko ten Brook ssnivr ehelicher Hausfrau, der die Geschichte den Ehrennamen „die Kwade" beigelegt hat. Wie mag Ocko ssnior wohl mit ihr fertig geworden sein? Er war gewiß keiner von den ganz Furchtsamen, aber — doch lassen wir den Vorhang fallen vor den häuslichen Szenen, die sich da manchmal mögen abgespielt haben. Gewiß hat der Arme oft gedacht: Wäre ich doch nur bei der Königin Johanna in Neapel geblieben! Wäre ich nur den Schwestern nicht gefolgt, die da kamen, mich wider meinen Willen heimzuholen zu solchem Eheglück! IK din clö Hsr! Zü, 6g Nan, clo Wtt ns onclvr äs clisod! — das Sprichwort muß einer aufgebracht haben, der solch eine Foelke zur Frau hatte. Und doch hätte ich diese Dame, nach dem Erfolg zu schließen, immer noch lieber zur Frau als zur Schwiegermutter gehabt. Was muß jener Lütet von Nesse für eine löwenmnßige Courage gehabt haben, dieser Mutter Tochter zu heiraten! Es ist ihm freilich auch darnach bekommen. Wenn sich je einer durch Heirat in die Nesseln gesetzt hat, so war es dieser unglückselige Lütet von Neffe.
Wo waren wir doch gleich? Ach richtig, immer noch in Fulkum. Mußt dir Fulkum auch noch einen Augenblick gefallen lassen, lieber Leser. Denn es ist ja nicht, als ob es hier gar nichts zu sehen gäbe. Da ist erstens die Stelle, wo wir halten, denn Fulkum ist Haltestelle. Aber wir halten nicht nur so am weißen Pfahl mit der roten Fahne. Ein Bahnhof ist freilich auch nicht da: aber — denke dir, welch ein Stück Poesie des alten Postl'utschwcigens! — wir halten vor einem Wirtshause, und das Wirtshaus steht natürlich dicht neben der Kirche. Die Kirche von Fulkum aber steht auf einer kleinen Anhöhe, ob einer natürlichen oder künstlich aufgeworfnen, konnte ich trotz der geringen Eile nicht genau bestimmen. Sie zerfällt in zwei räumlich von einander getrennte Teile, der Glvckenturm steht nämlich etwas abseits, uud er steht aus, als hätte sich ihn die kwade Foelke im Zorn oder in einer besonders kwaden Stunde ausgedacht, so vergrämt und verdrießlich uud mißmutig schaut er drein. Die Kirche selbst ist ein noch ziemlich neuer, einfacher, aber würdiger, ja freundlicher und schmucker romanischer Bau, zu dem sich die Leute von Fulkum gratuliren können. Sie haben es offenbar mit einem wirklichen Baumeister zu thun gehabt. Wohl dem, der auf einen solchen trifft. Ich kenne neue Kirchen, bei deren Anblick einem die Haare zu Berge stehen.
Aber da leuchtet uns ja schon wieder eine rote Fahne entgegen: der Krug zu Roggenstede hat uns zu Ehren geflaggt. Wir unterbrechen also wieder unsre gemütliche Fahrt. Ach ja, recht gemütlich, nur etwas einsam, denn auf der ganzen Strecke begegnet uns keine lebende Seele, kein Wagen führt, kein Handwerksbnrsche walzt die Landstraße ab, nicht einmal ein Jude auf dem