Die Arbeitercmsstcinde in dem Steinkohlenbecken pennsylvcmiens.
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Diese Konstabler sind geradezu eine bewaffnete Macht im Dienste der Kvhlen- lords, durch welche diese ihre Arbeiter einschüchtern und gegen sie einschreiten können, ohne sich irgend welcher persönlichen Verantwortlichkeit oder Gefahr auszusetzen. Dazu kommt noch in außerordentlichen Fällen, wie im Januar 1888, in den Kohlenausfuhrhäfen die schwer bewaffnete Schaar der Pinkertonschcn Privatpolizisten aus Chicago, welche wie die Condottieri der Renaissance für Sold sich zum Wach- und Schreckdienst gegen ausstehende Arbeitermassen hergeben. Ferner wurde von den alten oder veralteten Gesetzen über ungesetzliche Vereinigungen oder Verschwörung (oon8pii'!io^) zum Nachteil der Arbeiter viele Jahre ausgiebiger Gebrauch gemacht, bis die zunehmende politische Macht der Arbeiter ihre Abänderung in den Jahren 1872 und 1876 bewirkte. Von da an erst wurden die Ausstände wahrhaft gewaltige Waffen zur Durchsetzung der Arbeiterforderungen. Die Zahl der Ausstände ist seitdem immer größer geworden. In den drei ersten Monaten des Jahres 1381 zählte das Organ des Kohlen- und Eisenarbciterverbcmdes von Westpennsylvanien, die Pittsburgher 1-lg.dor Tribuns, nicht weniger als 400 Ausstände auf, wovon allerdings ein Teil auf Staaten außerhalb Pennsylvaniens fällt. Seit 1831 ist der Kamps immer erbitterter geworden. Der seit 1878 gegründete Orden der Ritter der Arbeit mit seiner eine Million übersteigenden Mitgliederzahl hat den Ausständen der Eisenbahn- wie jetzt der Kohlenarbeitcr einen früher nie gehabten Halt und eine finanzielle Stütze gegeben. Bei dem gegenwärtigen Riesenausstande der gesamten Kohlenarbeitcr des der Philadelphia- und Ncading-Bahn unterstehenden Kohlenbeckens tritt die Bedeutung dieser gewaltigen Bundcsgenossenschaft klar hervor. Die erwähnte mächtige Kohleubahn war vor zwei Jahren unter der Leitung Gowens an den Rand des Bankerottes gelangt. Ein Massenverwalter war von Gerichts wegen bestellt worden. Die mißliche Lage der Gesellschaft verstandeil die Kohlenarbeitcr wie die Verlader und Schaffner der Bahn zu benutzen, die einen, um eine Lohnerhöhung von acht Prozent (seit September 1887) durchzusetzen, die andern, um sich gegen plötzliche, d. h. ohne Angabe von Gründen erfolgende Dienstentlassung zu schützen. Die Gesellschaft war genötigt gewesen nachzugeben, weil es sich um ihr Dasein handelte, weil von rascher Erhöhung ihrer Einnahmen, also vom ungestörten Betriebe, jetzt alles abhing. Gelang es nicht bald, die zerrüttete Bahn wieder zu „saniren," wieder auf eigne Füße zu stellen und nach Beseitigung des Massenverwalters neu zu ordnen, so stand möglicherweise die Auflösung und die öffentliche Versteigerung vor der Thür. Eine solche aber würde den Verlust der so ungemein wertvollen Vorrechte nach sich gezogen haben, welche der schon alte Freibrief (vd-irt-sr) der Bahn verleiht. Die neue Staatsverfassuug verbietet uümlich den Eisenbahnen den Besitz und Betrieb eigner Kohlenzechen, ein Verbot, gegen welches sich die Bahn bisher nur durch deu Schirm ihrer vor der neuen Verfassung nnter dem ältern Freibrief „Wohl erworbenen Rechte" geschützt hatte. Im Falle einer erzwungenen Auflösung Grenzboten 1. 1888. 62