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England am Vorabend eines Umschwunges.
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die Peers sich gegen seinen Gesetzentwurf erklärt haben, der Verzug insofern ihm nützen werde, als er ihm weiter Zeit verschaffen werde, die öffentliche Meinung über die Sache zu unterrichten, Angesichts der Möglichkeit, daß das Unterhaus im Laufe der nächsten drei Monate aufgelöst werden müßte, rechnet das Ministerium und mit ihm die irische Partei sich heraus, daß das Ergebnis einer Neuwahl mit der Parole.- Home Rule oder nicht kein ungünstiges sein würde. Die Parnelliten hoffen in Irland einige Stimmen mehr als das letzte mal zu ge­winnen, und Gladstones Freunde glauben, daß er nach Beseitigung aller Gegner des Home Rule aus den Reihen der Liberalen aus England und Schottland fünfzig bis achtzig Unterhausmitglieder mehr hinter sich haben werde. So aber würde mit Hinzurechnung der Jrländer im nächsten Parlamente eine Mehrheit von wenigstens 150 Stimmen verpflichtet sein, Hvme Rule zu gewähren. Parnell würde natürlich das ganze Gewicht der Stimmen, welche das in England und Schottland zur Wahl berechtigte sehr zahlreiche irische Element in die Wagschale werfen kann, für die liberale Partei zur Geltung bringen; denn er hätte in Gladstone den einzigen Staatsmann zu erblicken, der hinreichendes An­sehen beim britischen Volke und hinreichende Macht über dasselbe besäße, es zu der nötigen Einwilligung in die Forderungen Irlands zu bewegen.

Ob Gladstone und seine Freunde mit diesen Berechnungen richtig sehen, wird sich bald zeigen. Er will den Jrländern fast alles geben, was sie bean­spruchen, aber doch nur ein beschränktes und untergeordnetes Parlament, er will in Irland eine Reichspolizei erhalten, und er will die Einheit des Zoll- und Steuerwesens sür beide Teile gewahrt wissen, wenigstens in der Hauptsache. Er könnte so den Engländern gegenüber behaupten, sein Plan laufe nur auf eine provinzielle Selbständigkeit Irlands hinaus, nicht aber auf eine Auflösung der Union niit Großbritannien. Es giebt unzweifelhaft viele liberale Engländer, die auf den ersten Blick in den Grundzügen dieses Planes eine willkommene Vermittlung der Neichseinheit mit den berechtigten Wünschen der irischen Nachbarn begrüßt haben. Aber wird er ihnen verschaffen, was sie vor allem ersehnen, dauernde Ruhe vor weiterer Agitation? Schwerlich. Die irische Bewegung beruht nicht bloß auf dem Verlangen nach einer lokalen Gesetzgebung und Regierung. Rassenhaß, Groll über altes Unrecht, Mitleid mit ausgetriebenen Pächtern, Verdruß über Mißgriffe und Mißbrünche der verschiedensten Art haben eine tiefgehende Unzufriedenheit erzeugt und erhalten, die sich auch dann nicht be­schwichtigen ließe, wenn sie nicht immer von neuem durch die in Amerika lebenden Volksgenossen, die bittersten und unversöhnlichsten Feinde Englands, angefacht würde. Parnell wird die Gabe eines beschränkte» irischen Parlaments annehmeu, aber gewiß, wenn nicht mit lautem, so doch mit stillem Vorbehalt. Er wird sie lediglich als Abschlagszahlung betrachten und über kurz oder lang zur Basis einer neuen Agitation machen, er darf bei Gefahr, in Irland unmöglich zu werden, nicht auf die Dauer stillstehen. Wenn Jrländer im Neichsparlameut