672
Notizen.
gemeinsam zu bestrafen; es ist dies, so viel bekannt, noch nicht geschehen, würde aber jeden Augenblick geschehen können/') Soll also in dieser Richtung Wandel eintreten, so bedarf es keiner Aenderung, sondern mir entsprechender Anwendung der bestehenden Gesetzgebung, namentlich muß die Rechtsprechung den Fall gewerbsmäßiger Unzucht stets annehmen, wenn sich eine Frauensperson überhaupt gegen Honorirung hingegeben hat, mag dies auch nur einmal geschehen sein, da sie es dann zum Erwerbe, also gewerbsmäßig betrieb, während jetzt meist mindestens zwei solcher Fälle verlangt werden; anch die Frage, was als Honorirung angesehen werden soll, kann nicht streng genug genommen werden, jedes, auch jedes nachträglich gegebene Gescheut sollte darunter gerechuct werden, dann würde sich ein natürlich erwünschtes strengeres Vorgehen auch gegen das männliche Geschlecht von selbst mit ergeben. Es steht auch nichts im Wege, eine Weibsperson oder einen Manu, welche auf unzüchtigem Wege Krankheiten übertragen haben, wegen Körperverletzung zur Bestrafung zu bringen, also bedarf es anch insoweit keiner Verschärfung unsrer Gesetzgebung.
Muß mau nun auch zugeben, daß es ohne Anreiznug durch das männliche Geschlecht keine prostituirten Dirnen geben würde, so muß doch anderseits darauf hingewiesen werden, daß die so besonders abstoßende gewerbsmäßige Unzucht immer nur von einer Frauensperson betrieben werden und also die zur Beaufsichtigung dieses Lasters nötige Thätigkeit der Polizeibehörden sich nur gegen Frauenspersonen richten kaun, und daß die mit der Sittenkontrole verbundene allerdings tiefe Entwürdigung des weiblichen Geschlechts weniger ans Rechnung dieser nötigen Kontrole als der Entwürdigung kommt, welche diese Frauenspersonen sich selbst durch Ergreifung des gedachten lasterhaften Berufes bereitet haben. Es wird freilich behauptet, daß nach dem K 361 Satz 6 des Strafgesetzbuches eine Frauensperson der Bestrafimg für die Ausübung gewerblicher Unzucht dadurch entgehen könne, daß sie nnter polizeiliche Kontrole gestellt werde. Diese Ansicht beruht aber auf einer Unkenntnis der einschlagenden Bestimmungen. Die Polizeibehörden sind garnicht berechtigt, jede beliebige Frauensperson mit ihrem oder gegen ihren Wnnsch ohne weiteres unter Sittenkontrole zu stellen, vielmehr wird dazu uach einer Verfügung des Ministers des Innern vom. 7. Juni 1850""'°) unbedingt vorausgesetzt, daß die betreffenden Personen wegen gewerbsmäßiger Unzncht bereits bestraft oder als diesem Laster frohnend bekannt und geschlechtskrank befunden worden sein müssen. Es ist nicht anzunehmen, daß irgendeine Polizeibehörde sich über diese Vorschrift des Ministers hinwegsetzen sollte; wäre es aber doch der Fall, so würde es nur eines Aurufens der höhern Instanz bedürfen, nm Abhilfe zu schaffen. Wird der Z 361 Satz 6 des Strafgesetzbuches mit dieser Einschränkung angewandt, und wird gleichzeitig sorgfältige Straßenpolizci gegenüber den herumstreifenden Dirnen gchand- habt, dann ist allen Ansprüchen genügt, welche man billigerweise an die Gesetzgebung und die Verwaltung stellen kann. Abgestellt, wie bemerkt, wird das Laster nicht; es erhält aber auf diesem Wege nicht die gesetzliche Sanktion nnd kann in den Schranken gehalten werden, welche die Gesundheit nnd die öffentliche Ordnung nnd Sitte erheische».
Nun wird freilich noch ein Bedenken gegenüber dem jetzigen Znstande geltend gemacht, welches scheinbar viel für sich hat, aber doch auch nicht zutrifft. Mau glaubt, der jetzige Zustaüd gestatte den Prostituirten überall umherzustreifen und
Oppenlwff, StrafgcsePbnch, 9. Ausgabe, Abschnitt SS. Anmerk. 7. Ministerialblatt für die gesamte innere Verwaltung, Jahrgang 1850, S. 33S.