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um bei den Kontrasten des Einzelnen mit Behagen zn verweilen. Und doch liegt gerade diese Gattung so recht in unsrer Art." Seither ist allerdings auch in der hochdeutschen Literatur der Humor etwas häufiger aufgetreten; zu der allgemeinen pessimistischen Verdrossenheit, die über uns lagert, ist er ein notwendig erscheinender Gegensatz; und anderseits hat sich seither mich eine nenc literarische Schule gerade auf die Darstellung der eng beschränkten Einzelnen verlegt, die Schule des Realismus, nur leider ohne dieses Einzelne im Kontrast mit dem Allgemeinen hnmvristisch anzuschauen, sondern mit dem langweilig nüchternen Ernst des Photographen der Alltäglichkeit, des mikroskopisch untersuchenden Pedanten. Die Kritik hat daher umsomehr die Pflicht, die seltenen gclnngncn Versuche in der echt komischen Dichtnngsart nach jenem gesunden Prinzip Julian Schmidts zn ermuntern nnd zn unterstützen. Freilich muß sie diese Versuche meist in den abseits liegenden Werkstätten der Dialektpvesic des deutschen Südens und Nordens aufsuche», wo sie kräftiger auftrete» als in der hochdeutschen Literatursprache. In der letztcrn giebt es Werke, welche für humoristisch gelten wollen, z. B. die jeanpaulisirenden Schriften Heinrich Steinhausens. Was ist das aber für ein Humor, bei dem man kanm die Lippe» verzieht, kaum schmunzelt? Das ist ein akademischer Literaturhumor. Die Dialeltdichtcr scheue» vor der kräftigeren Art nicht znrttck und unterhalten jedenfalls mit ihrer keck naive», rückhaltlosen Erfindung und Darstellung mehr als die säuerlichen Nachahmer eines Klassikers.
Einen solchen Humoristen von rechtem Schlag lernten wir in den: Plattdeutschen Johann Segebarth") kennen. In der lmmig bescheidnen Borrede zu seiner Erzählung sagt er n. a.: „De lütten Dcuns ward mine Geschichte all so wie so nich ansprekcu, wil sei taumeist ut Lächerlichkeiten nn am wenigsten ut Leiwlichkeiten tausam sett is"; und hierauf bezeichnet er jene Menschen, welche ihm die liebsten sind: „dat sünd de »vidclen Hüser« un zwvrst svne, de »ich all tan vel lihrt heww'u. Ja, wenn de vk in ehre infciltige, lustige Gemäutlichkeit manch dummes Stück anrichten u» utführc», so weit ick doch, sei dauhn dat nich ut bösen Harten, sei beabsichtigten recht was Gaudes tau dauhn. dvrüm heww ick Vergewnng för alle ehre Streich, sei sünd mi an de Seel wossen... Mine fröhliche Sippschaft uimmt allens np de lichte Schuller, jackelt und jökelt hcn un her, will bald hüh, bald hott, uu wil sei in de Schaul taurügg blewen sind, kamen sei — von jemand upgerntscht — licht iu Gährung, weiten äwer sülwst ni, wat sei will'n." Mit diesen Wvrten charnktensirt Segebarth seine humoristische Eigenart. Er ist ein Humorist ohne sentimentale „Leiwlichkeiten" und ohne weitere satirische Tendenz; ein Dichter, der eine behagliche Frende an
*) Ut de Dcmvtrntentid. Erzählung in niederdeutscher Mundart von Jvhann Segebarth, Verfasser der „Darßcr Smnggler." Berlin, H. Th. Mrvse, 1885. (Das Buch hätte eine bessere Ausstattung verdient.)