Beaumarchais»
er Dichter des „Tvllen Tactes" hat schon vor dreißig Jahren in Louis de Lomenie einen vortrefflichen Biographen gefunden. Wie sehr sich dieser aber auch bemühte, ganz unparteiisch zu sein, so geriet ihm doch das Bild seines Helden ein wenig zn ideal. Dies haben mich französische Kritiker längst erkannt und ausgesprochen so Tcnue in der Lobrede, die er vor einigen Jahren dem hingegaugnen Lomenie in der Akademie hielt: das Werk über Beaumarchais, sagte er da, würde als eine abschließende Leistung gelten können, wenn nicht dariu gewisse, weniger sympathische Züge desselben zu sehr im Duukcl geblieben wären. Umso schärser treten gerade diese Züge in einer vor kurzem erschienenen deutschen Beaumarchais- Biographie hervor,") deren Verfasser Anton Bettelheim in Wien ist. Der Mann, den Goethe im Clnvigo zn einem Urbild kräftiger Ritterlichkeit, zu einem kühnen Verteidiger gekränkter Frauen- uud Familieuehre gemacht hat, erscheint hier vor allem als ein gewissenloser Spekulant und Geldmacher, ein politischer Agent von zweifelhaftem Charakter, ein Lebemann von weitem Gewissen nnd sehr anrüchigen Sitten. Dabei haben nicht etwa Voreingenommenheit oder Sucht nach Originalität die Feder des nenen Biographen bestimmt. Seit dem Abschluß von Lomenies Werk ist viel neues Material für die Lebensgeschichtc von Beaumarchais bekannt geworden, nnd diesem konnte sich Bettelhcim nicht verschließen. Wen» er nur zusammenfaßte, was Nrueth über die Wiener Abenteuer des „Herrn von Ronac" aus dem Staatsarchiv veröffentlicht nnd Edonard Fonrnier in seiner Beaumarchaisausgabe aus Akten der Lornmtiv ji'M^ÜLv mitgeteilt hat, so mußte sich ihm schon die Notwendigkeit einer Korrektur der Lomenicschen Zeichnung ergeben. Er hat sich aber die Mühe nicht verdrießen lassen, in den Archiven von Paris, London, Wien, Alecila und Karlsruhe alles, was er au Schriftstücken von und über Beaumarchais erreichen konnte, ob es nun bereits gedruckt war oder nicht, durchzusehen, nnd da fand er zuletzt, wenn er es auch nicht geradezu sagt, daß von dem Beaumarchais, wie ihn Lomenie gezeichnet hat, sehr wenig übrig blieb. Glänzende, ja gute Eigenschaften muß er ihm freilich immer noch zugestehen, aber er konnte sich nicht verhehlen, daß der Dichter des „Figaro" von einem Helden nichts, von einem Glücksritter alles, von einem Schelm nicht wenig besaß.
*) Beaumarchais. Eine Biographie von Anton Bettclheim. Frankfurt a. M., Literarische Anstalt, Nutten und Loening, 183«,