49«
litik und Cavour ihre Seele. Durchgeführt wurde damals trotz der päpstlichen Proteste die Abschaffung der exemten bischöflichen Gerichtsbarkeit. Aber auch alle anderen Punkte, die Civilehe, die Aufhebung der Conscriptionsfrciheit der Geistlichen, die Verminderung der Diöcesen, die Aufhebung der Klöster, die Einziehung des Kirchenguts kamen damals schon zur Sprache und sind seitdem wiederholt verhandelt und zum Theil gesetzlich erledigt worden. An diesem Weg der Gesetzgebung hielt Piemont und sein Nachfolger, das Königreich Italien seitdem fest: er war das Mittel, die nationalen Kräfte zu entfessein und dem modernen Staat freie Bahn zu schaffen. War die Curie nicht zu einer gutwilligen Trennung beider Gebiete zu bewegen, so wollte wenigstens der Staat für sich seine Befreiung von den kirchlichen Banden durchsetzen. Es war bei dem Widerspruch der Curie der einzige Weg zu Resultaten zu gelangen: nur dazu reichte er nicht aus, dem römischen Problem näher zu kommen. Rom antwortete nur mit Anathemen und Excvmmunicationen, es blieb aufrecht trotz allen Verlusten. Gelang es dem Staat, seine Emancipation durchzuführen, so war er doch von der Beseitigung des Grundübels so weit entfernt als zuvor. Indem die Gesetzgebung einzig nach den Interessen des Staats verfuhr, war es ihr selbstverständlich um die Freiheit des Siaats. nicht ebenso um die Freiheit der Kirche zu thun, und indem der kirchliche Widerstand in das politische Gebiet übergriff, sah der Staat umgekehrt sich genöthigt, auch in die geistliche Sphäre beschränkend einzugreifen. So verhärtete sich der Widerstand der Kirche, je weiter der Staat vorwärts ging, aber es erzeugte sich zugleich in den Maßregeln des Staats und selbst in den gesetzgeberischen Experimenten ein Schwanken in den obersten Principien, wie grade die Umstände und die Zweckmäßigkeitsrücksichten es mit sich brachten. Dieses Schwanken hat im Grunde bis auf die jetzige Zeit gedauert, und es tonnte nicht anders sei», so oft es sich nur um einzelne Reformen, nicht um eine principielle Lösung handelte.
So oft freilich die Formel für eine principielle Auseinandersetzung gesucht wurde, kennte man sie nur in der gänzlichen Trennung beider Gebiete finden. Praktisch wurde die Frage zum ersten Mal im Jahre 1861. Bis dahin waren es im Grunde immer nur Theorien und ideale Principien, mit denen man die letzten Probleme berührte. Jetzt aber sollte es sich erproben, wie weit sie zureichend waren für eine Verwirklichung der Ausgaben, welche der Gang der nationalen Entwickelung gebieterisch gestellt hatte. Als zu den Annexionen in Mittelitalien auch noch der Anschluß der südlichen Provinzen gekommen war, als der Zug der Revolution auch noch die letzten Schranken schien hinwegrcißen ju wollen und die Radicalen ungestüm Rom als Hauptstadt verlangten, war der Augenblick gekommen, da der Staatsmann Italiens ein politisches Programm für die römiscte Frage zu entwickeln hatte. Man weiß, wie Cavour unter diesen Umständen, wenige Monate vor seinem Tode, das Programm: die