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nordamerikanischen Freistaaten nach Abschluß ihres Unabhängigkeitskriegs gebraucht, um ihre Verfassung festzustellen; einigen wir uns in den nächsten Monaten über eine Verfassung für Norddeutschland, so müßten wir an unserem Vaterland verzweifeln, wenn es uns nicht auch gelänge, in der Hälfte jener Zeit eine Verfassung für das deutsche Reich zu Stande zu bringen/' Statt einer Zergliederung der heutigen Reden, die sich auch dann nicht empfehlen würde, wenn wir den Raum dazu hätten, geben wir eine kleine Blumenlese des BemerkcnswertKesten daraus.
Der Abgeordnete Michaelis (für die Vorlage) nannte den im Entstehen begriffenen oeuischen Staat den Staat der allgemeinen Wehrpflicht und diese die Wehrbarmachung der deutschen Cultur und die beste Bürgschaft des mitteleuropäischen Friedens.
Der Abgeordnete Schulze-Delitzsch (gegen die Vorlage) verlangte, daß das Ministerium der That, welches dem Ministerium der moralischen Eroberungen gefolgt sei, sich seinerseits in ein Ministerium der moralischen Eroberungen verwandele, nur um diesen Preis sei die seltene Bürgerkrone feil, die dem Ministerium Bismarck winke.
Der klerikale Abgeordnete v. Ma limkr odi fand, das Preußen des Jahres 1867 sei nichts als das alte Preußen mit etwas breiterer Schulter, breiterer Taille und einem leichten deutschen Rock; das Wort Von der 600jährigen Leidensgeschichte Deutschlands verstehe er nicht, denn am Anfang dieses Zeitraums stehe Radolph Von Habsburg, der die Raubritter ausgerottet habe; worauf Graf Bismarck erwiederte, er habe vom Sturz der Hohcnstaufen und der Zerrüttung des Reichs datirt, welche verschuldet worden sei durch den Abfall der Welsen und den Sieg der Ultramontanen. (Beifall.) Von vier sächsischen Abgeordneten erklärten sich zwei (v. Zehmen, Gebert) für und zwei (Wigard und Heubuer) gegen die Vorlage, v. Zehmen protestirte energisch gegen die Anschuldigung des Particularismns, Gebert gestand, erst seit der Rede des Grafen Bismarck. die er ein politisches Ereigniß nennen möchte, fühle er sich heimisch in dem Hause, Wigard bezeichnete den norddeutschen Bund als einen absoluten Staat, umbrämt mit einem constitutionellen Mäntelchen, das seine Blöße nicht decke und Heubner verlangte Fortschaffung der Mainlinie, 'damit sich nicht eine Kluft bilde, die das Blut (!) unserer Söhne und Töchter niemals ausfüllen werde und damit nicht der Genius des Vaterlandes trauernd sein Haupt verhülle und' wie so mancher Deutsche heimathlos aus einem deutschen Ausland in das andere ziehe. Der Redner sprach mit einer Stentorstimme, die sich bei den letzten Worten in einen wimmernden Klagcton verlor, so daß man an die „Reichsthräne" des frankfurter Parlaments erinnert wurde.
Der schleswig-holsteinische Abgeordnete S eb l cide n bekannte sich als einen strammen Anhänger des „edlen" Herzogs von Augustenburg, beklagte die beispiellose Erschütterung des monarchischen Princips durch die preußische Regierung von Gottes Gnaden und meinte, die Hansestädte erfreuten sich nicht ihres blühenden Handels, wenn — es früher eine deutsche Marine gegeben hätte!
Der Bundescommissar, Geh.-R.v. Sa vi gn y wies den Angriff auf S. M. den König mit Entschiedenheit zurück und versprach die Bemerkung über die Marine bei der Specialdebatte zu erwidern, es sei dies eine Aufgabe, auf die er sich freue.
Heute erfolgte nach einer vierstündigen Verhandlung der Schluß der Generaldebatte über den Entwurf der norddeutschen Bundesverfassung. Gegen denselben sprachen noch die Abgeordneten Schaffrath. Duncker (Berlin). Grum brecht, für denselben die Abgeordneten Graf Betbusi-Huc. Freih. v. Vincke (Hagen) und Prosch. Wir müssen uns wiederum auf Hervorhebung