— 346 —
des Abgeordnetenhauses vom 11. Dezember vorigen Jahres aussprach: „Ich halte die Abänderung der Kulturkampfgesetze selbst im Interesse des Friedens für das erste Erforderniß, denn ohne eine solche Abänderung hätte man nie eine Garantie, ein Ministerium zu haben, welches die Gesetze mild und wohlwollend auslegte. Ist es doch mit wenigen Unterbrechungen von jeher eine preußische Tradition gewesen, den Katholizismus zu unterdrücken." Mag die preußische Regierung noch so duldsam und friedfertig sein, sie wird nie die Zustimmung einer Partei erlangen, die es noch heute gerne sähe, wenn die „calvinistische Rotte" vernichtet und „Brandenburg gänzlich supprimirt" werde.
Hoethe und Wammittane La Koche.
Hirzel's köstliches Vermächtniß, sein „Junger Goethe", ist gerade in seiner Geschlossenheit und Abrundung ein so herrliches Buch, daß man beinahe den lächerlichen Wunsch haben könnte, es möchte das darin vereinigte Material in den nächsten zehn Jahren keinen weiteren Zuwachs erfahren, damit man nicht immer die schmerzliche Vorstellung habe, daß dies Buch, das doch einen vorläufigen Abschluß bilden sollte, nun auch schon wieder unvollständig geworden sei. Und doch muß man froh sein über jede Zeile von Goethe's Hand, wie viel mehr über eine ganze Suite von Briefen, die aus den Jugendjahren des Dichters zu Tage kommt.
Mit solchen zwiespältigen Empfindungen legt man das Buch aus der Hand, das vor wenigen Tagen der Verlag von W. Hertz in Berlin uns gebracht hat: Briefe Goethe's an Sophie von La Röche und Bettina Brentano nebst dichterischen Beilagen herausgegeben von G. von Loeper. Bildet es doch eine Bereicherung unserer Kenntniß vor allem des „jungen" Goethe, für die man dem gütigen Geschick entschieden danken muß; Hirzel's Buch aber hat — das ist ebenso gewiß —, nun diese Briefe neben und nicht in ihm stehen, leider von jetzt an eine empfindliche Lücke.
Die „dichterischen Beilagen", die der Titel nennt, und die hier zum ersten Male publizirt werden, sind ein kleiner Dialog zwischen Meister und Jünger, „Des Künstlers Vergötterung", der wohl für „Künstlers Erdewallen" bestimmt war, aber 1774 bei der Herausgabe desselben unterdrückt wurde und später in völlig anderer Gestalt als „Künstlers Apotheose" an die Öffentlichkeit trat, und Goethe's Uebersetzung des Hohenliedes aus dem Jahre 1775. Im Uebrigen bedarf der Titel keiner näheren Bestimmung.