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Ein Vorläufer Winckelmann´s.
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Lin Vorläufer Wincketmann's.

Als solcher ist neuerdings oft bezeichnet und gepriesen worden der im Jahre 1756 verstorbene Leipziger Professor Christ, Stahr hat ihn in seiner Lessing­biographie so genannt, Bursian in dem Artikel, den er im vierten Bande der Allgemeinen deutschen Biographie" über ihn geschrieben, und auch der Eng­länder Sime nennt ihn wieder in seinem vorm Jahre erschienenen Leben Lessing's tb.s torsrunnör ol ^ViiuckölinMn".

Nach einer tieferen Begründung für dieses Prädikat sucht man an den angeführten Stellen vergebens. Man muß es eben auf Treu und Glauben hinnehmen. Das Beste und Bedeutendste, was über Christ bisher geschrieben ist, bleiben immer die Abschnitte über ihn in Justi's klassischer Biographie Winckelmann's (Bd. I. S. 374381) und in Hettner's geistvollerLiteraturge­schichte des achtzehnten Jahrhunderts" (III, 1, S. 305 308). Justi nennt Christ nirgends ausdrücklich den Vorläufer des großen Schöpfers unserer Kunst- archäologie, aber wenn irgendwo, so gewinnt man ans seiner Darstellung den Eindruck, daß er dies ehrenvolle Prädikat wirklich verdiene. Justi scheint aber selbst den Wunsch gehabt zu habeu, daß die Bedeutung Christ's gelegentlich einmal noch eingehender gewürdigt werde, als er es in seinem Werke über Winckelmann gethan; in einer Anmerkung wirft er das Sätzchen hin:Christ verdiente eine Monographie." Diesem Wunsche scheint nun eine vor Kurzem erschienene Erstlingsschrift eines jungen Gelehrten entgegenkommen zu wollen, die sich das Verdienst erwirbt, zunächst wenigstens von dem äußeren Lebens- gauge Christ's und seiner schriftstellerischen Wirksamkeit so gründlich und ein­gehend Rechenschaft zu geben, wie es bisher nirgends geschehen ist.") Daß Justi diese Schrift als die von ihm gewünschteMonographie" anerkennen sollte, wagen wir zwar zu bezweifeln. Der Verfasser ist offenbar ein junger Gelehrter, dem es vorläufig noch an dem Umfange von Kenntnissen, an der Reife des Urtheils, vor allem auch an der Durchbildung des Geschmacks fehlt, die zur Darlegung eines solchen Verhältnisses, wie das von Christ zu Winckel­mann, unbedingt nothwendig ist. Er hat sich denn auch vorsichtiger Weise fast in allem, was die Beurtheilung und Charakteristik Christ's betrifft, darauf be­schränkt, zu sammeln, was andere, in alter und neuer Zeit, in dieser Beziehung geschrieben haben. Wohl aber darf die Schrift das Verdienst beanspruchen, daß sie mit Fleiß und Umsicht das weitzerstreute, oft recht schwer zugängliche

') Johann Friedrich Christ. Sein Leben und seine Schriften, Ein Beitrag zur Gclchrtengcschichtc des 18. Jahrhunderts. Bon Edmund Dörffcl, Leipzig, Mcitkopf K Hartes, tS73.