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Briefe von Johann Philipp Freiherrn v. Wessenberg aus den Jahren 1848 bis 1858 an Jsfordink-Kostnitz. österr. Legationsralh a. D. Zwei Theile. Leipzig, F. A. Brockhaus, 1877.
Der österreichische Politiker, welcher diese Briefe verfaßt hat, ist der Freiherr v. Wessenberg-Ambringen, welcher, 1773 geboren, 1814 Bevollmächtigter beim Wiener Congreß und 1848 Ministerpräsident nnd Minister des Aeußern war, und der in beiden Stellungen nach der Ueberzeugung wirkte, daß dem Verlangen der Völker nach freiheitlichen Eulrichtungen durch zeitgemäße Zugestündnisse Genüge geleistet werdeu müsse. Beim Wiener Congreß gelang es ihm, den Artikel 13 der Bnndesaete durchzusetzen, in welchem allen Bundesstaaten eine landständische Verfassung gewährt wurde. 1848 ging sein Bestreben dahin, Oesterreich auf coustitutioueller Grundlage neu zu gestalten, ein Bemühen, welches au den eintretenden anarchischen Zuständen und der Nothwendigkeit der Bekämpfung der Revolution durch die Militairherrschaft scheiterte. Seine Briefe, in der ungezwungenen Form intimen Verkehrs geschrieben und vielfache Hinweisungen auf seine früheren diplomatischen Missionen und die in deren Zeit fallenden Ereignisse enthaltend, geben ein deutliches Bild seines Charakters, seiner politischen Ansichten und seiner Auffassung der allgemeinen Verhältnisse und der Zeitfragen. Die Sammlung derselben ist vorwiegend politischen Inhaltes. Sie beschäftigt sich mit der allgemeinen politischen Lage während der nächsten zehn Jahre nach der Revolution von 1848, besonders mit den deutschen Verfassungsverhältnissen im Zusammenhange mit den österreichischen, am eingehendsten und ausführlichsten aber mit den politischen und finanziellen Zuständen Oesterreichs. Europa hat in den letzten fünfzehn Jahren sich wesentlich anders gestaltet, sodaß die vorliegende Briefsammlnng au vielen Stellen nur noch ein retrospectives Interesse bietet. Anders aber verhält sich dieselbe zu Oesterreich, wo die von Wessenberg empfohlenen Reformen großenteils erst nach seinem Tode durchgeführt wurden, und wo noch jetzt die finanzielle Lage einer endlichen Lösung entgegensieht, sodaß die hier niedergelegten Gedanken auch heute noch als zeitgemäß und der Beachtung werth erscheinen können. Wir behalten uns vor, auf diese Briefe bei passender Gelegenheit zurückzukommen und das eine oder das andere besonders Interessante darans mitzutheilen.
Erklärung.
Wir entsprechen gern dem Wunsche zu erklären, daß .die aus S. 1S9, 160 d. Bl. befindliche Veröffentlichung nicht auf einer Mittheilung des Herrn Dr. Stevhani an uns beruht und ohne dessen Wissen erfolgt ist. Die Redaction der Grenzboten.
Verantwortlicher Redacteur: vr. Hans Blum in Leipzig. Verlag von F. L. Herbig in Leipzig. — Druck von Hüthcl <K Hcrrmam» in Leipzig.