— 192 —
Einen großen Theil der Schuld trugen, wenn die Bulgaren ihr schweres Joch nicht abzuschütteln vermochten, die Griechen von Konstantinopel, das Patriarchat und die Bischöfe, die sich seit Jahrhunderten von den Türken gegen gnte Pfründen gebrauchen ließen, alle nationalen Regungen und jedes Aufstreben zur Bildung und Gesittung unter den Bulgaren im Keime zu ersticken. Vom Fanar kam wie den Rumänen so auch den Bulgaren mindestens ebenso viel Unheil als von den Türken, und so erklärt sich's, wenn das Volk und namentlich die, welche in den letzten zwanzig Jahren an einer patriotischen Erhebung arbeiten, gegen diese vornehmen griechischen Glaubensbrüder einen nicht weniger brennenden Haß hegen, als gegen die Bedrücker im Turban. „Die Fauarioten", so sagte uns vor einigen Jahren ein in Deutschland studirender Bulgar, „wollen wissen, daß der Name Fener (türkisch: Laterne) eine Leuchte bedeute, die Türken dagegen behaupten, daß er von Fenajer (Bordell) abzuleiten sei, und in Anbetracht des nichtswürdigen feilen Charakters eines großen Theils der Einwohner des so benannten Stadtviertels von Konstantinopel darf man letztere Ansicht für die richtigere halten."
Der Patriarch von Konstantinopel, dem die Bulgaren als dem Oberhaupte der morgenländischen orthodoxen Kirche untergeben waren, sandte ihnen als Bischöfe nur geborne Griechen, die weder die Sprache noch die Sitten des Volkes kannten, dem sie hätten Lehrer und Tröster sein sollen, und die zum großen Theil nicht einmal in ihrer eignen Sprache Bildung genossen hatten. Diese hohen Geistlichen waren bis vor wenigen Jahrzehnten fast ohne Ausnahme rohe Gesellen, nur in Ränken und Schlichen wohl erfahren, ohne Herz für die ihrer Fürsorge Empfohlenen, ohne ein wesentlich anderes Interesse als das ihres unersättlichen Geldbentels, den sie mit den niedrigsten Mitteln und oft mit noch größerer Rücksichtslosigkeit als die türkischen Blutsauger auf Kosten des Volkes zu füllen bemüht waren. Von Schulen war unter ihrem Regiment lange Zeit kaum die Rede gewesen; ja sie hatten geflissentlich und eifrig jede bemerkbar werdende Regung nach dem Erwerb von Kenntnissen zu ersticken versucht. Vor Allein aber bestrebten sie sich, die Reste einer bulgarischen Nationalität und alles, was ein Wiederaufleben derselben hoffen — in ihrem Sinne fürchten — ließ, alles, was an die einstige Macht und Bedeutung des Bulgarenvolkes erinnerte, zu vernichten und das Land zn gräcistren, wobei sie sich Einsprüchen gegenüber darauf beriefen, daß gewisse Städte des Landes, Adrianopel, Philippopel und Nikopel z. B., griechische Namen haben, und daß ein Bruchtheil der Bevölkerung Bulgariens aus Hellenen besteht. Sie arbeiteten damit ganz zum Vortheile des Sultaus, dem die höhere griechische Geistlichkeit in der Türkei mit Ausnahme einer kurzen Periode immer ergeben war, und dem Bildung und Selbstgefühl der Bulgaren in diesen ebeuso gefährliche Feinde