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Studien über Eisenbahnpolitik im Hinblick auf den Plan der Erwerbung deutscher Eisenbahnen durch das Reich. III.
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werden. Seit Kurzem haben die italienische, die ungarische und die öster­reichische Regierung diesen Weg betreten.

Dazu kommt aber noch ein mächtiges Argument, kraft dessen man sagen kann, daß der Staat auch im gegenwärtigen Zeitpunkt und nachdem so viel versäumt worden ist, noch immer mit Vortheil die Eisenbahnen übernimmt. Das ist die naturgemäße Vermehrung der Bevölkerung. Nach der letzten Volkszählung hat sich die Bevölkerung des deutschen Reiches innerhalb 4 Jahren um 4°/<, vermehrt. Dies würde einer Verdoppelung der Bevölkerung innerhalb eines Jahrhunderts gleichkommen. Die Bevölkerung von Preußen hatte sich bis vor den letzten Gebietserweiterungen sogar in einem halben Jahrhundert verdoppelt. Nehmen wir auch an, daß in Zukunft die Be­völkerungszunahme in einem viel langsameren Maßstab vor sich gehen werde, so kann man doch mit Sicherheit annehmen, daß der sich vorzugsweise der Eisenbahnen bedienende Theil der Bevölkerung in hundert Jahren sich ver­doppelt haben wird. Die Personen- und Güterfrequenz wird sich nach Ana­logie der bisherigen Erfahrungen aber noch viel früher verdovpelt haben. Die Aussichten der Verkehrseinnahmen sind also für die Zukunft aus dem einzigen Faktor der Bevölkerungsvermehrung für das Eisenbahnnetz noch ebenso groß, wie sie ursprünglich für die alten Bahnen waren. Nur ein längerer Zeit­raum ist erforderlich, um dasselbe Resultat aufs Neue zu erreichen oder mit andern Worten den Verkehrsumfang zu verdoppeln. Der Nachtheil des längeren Zeitverlaufs bis zur Erreichung dieses Zieles wird zum Theil da­durch ausgeglichen, daß mit denselben Verkehrsmitteln in der Zukunft mehr geleistet werden kann, mit andern Worten, daß der Verkehr einer Bevölkerung von 80 Millionen mit verhältnißmäßig geringeren Transportmitteln befriedigt werden kann, als der von gegenwärtig 40 Millionen. Wenn also bei der Eigenthumsübertragung in der Gegenwart der Kaufschilling der Billigkeit nach bemessen wird, d. h. nach dem bisherigen Durchschnittsertrag oder nach dem Börsencurs, so daß die Zinsen schon jetzt aus dem Neinertrag gedeckt werden können, so kann der Staat in Zukunft von einer solchen Transaktton keinesfalls Schaden haben. Er wird vielmehr den Vortheil genießen, daß die Reinerträgnisse nach und nach einen steigenden Betrag an den Ausfällen der neuen Bahnen decken, ja daß das Eisenbahnnetz mit der Zeit gar keine Zuschüsse aus andern Mitteln erfordert und zuletzt dem Staat, beziehungsweise dem Reich, sogar einen Ueberschuß liefert.