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Aus dem Leben eines Prompejaners. I.
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Er hat zum vierten Male über den behenden Cachaunus gesiegt, und er hätte ihm trotz des tüchtigen Schmisses da den Garaus gemacht, wenn das Volk nicht gnädig gewesen wäre", sprach einer der Bürger.

Vermuthlich wird man ihn freilassen", erwiederte ein anderer;es war sein zweiunddreißigster Kampf heute, und er hat die Ruhe wohl verdient. Mag ihm nur der Schädelspalt noch nicht einen Platz an der Via Stabiana verschaffen."

Sei unbesorgt", sagte der Erste;diese Thracier haben Hirndeckel wie Elephanten und ein Leben wie eine Katze."

Immer mehr Volks kam mir entgegen, und fast Alle unterhielten sich lebhaft über das stattgehabte Schauspiel. Es schien, daß alle Klassen der Bevölkerung mit gleichem Interesse Antheil genommen und keine unvertreten geblieben. Die Mehrzahl mochte dem wohlhabenden Bürgerstande angehören; sie trugen die faltige wollene Toga, meist von ungefärbtem weißen Stoff, über der linnenen Tunika, Sandalen mit Riemen und bronzenen Schnallen und zum Theil wollene Kappen und Hüte. So mancher trug schwere goldene Ringe «n den Fingern und ein feineres Gewand von ausländischem Stoff und eleganter Arbeit. Plaudernd und lachend kamen Sklaven daher, nackt an Armen und Beinen, blos mit einer kurzen gegürteten Tunika bekleidet, ihre Freude über den freien Tag und das gehabte Vergnügen nicht verbergend. Auch Frauen sah man, doch nur vereinzelt, die mit langsamen Schritten und ohne umzublicken oder mit einander zu reden, ihrer Behausung zuschritten, manche im Geleite ihrer männlichen Angehörigen, andere auch allein, aber von Dienerinnen begleitet. Die letzteren trugen Kissen und Polster, die man in das Theater mitnehmen mußte, wenn man nicht auf den Steinbänken selbst sitzen wollte, sowie Sonnenschirme, deren die Frauen um so mehr be­durften, als sie auf den obersten Rang der Theater verwiesen waren.

Dort nähert sich eine geschlossene Sänfte, von vier Numidersklaven ge­tragen; vielleicht sitzt eine Priesterin der Vesta oder der Isis darin, die es auch nicht verschmähen, an den Kämpfen der Arena die Augen zk weiden. Dort folgt eine andere noch kostbarere mit acht Trägern in weißen Tuniken und rothen Mützen. Die Wände der Sänfte sind mit Bronzeplatten bedeckt, die mit silbernen Figuren und Arabesken ausgelegt sind. Die Pfeiler sind vergoldet und die Stäbe lausen in Greifenköpfe mit emaillirten Augen aus. Das Innere ist mit purpurnen Polstern belegt, und es liegt darin, auf den einen Arm gestützt, in der andern eine Schreibtafel, ein Mann von würdigem Aussehen mit den Jnsignien der Duumvirn, der obersten Würdenträger in Pompeji. Neben der Sänfte schreitet ein stutzerhaft gekleideter junger Mann wit goldenen Ohrringen und gesalbtem Haar, dessen Toga einen theatralischen Faltenwurf hat. Tänzelnd setzt er die Fußspitzen zierlich auf und spricht im