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stören, that langsam mit leiser Hand die Zeit selbst in ihrem steten Wechsel. Je mehr sich das allgemein städtische Leben von der Oeffentlichkeit in die Häuser und in bedeckte Räume zurückzog, im gleichen Maße verschwanden Spiel und Tanz von den Straßen und Plätzen und ließen sich in Wohnungen und Säle einengen. Die Plätze unter der Linde sind verwaist, doch bergen sie ein gutes Stück Sittengeschichte alter Zeit, welches uns Bilder lautesten Jubels und ausgelassener Freude vor unsere Seelen zu zaubern im Stande ist.
Literatur.
Weil's mi freut, Gedichte in oberbairischer Mundart von Karl Stiel er (Stuttgart, Meyer und Zeller, 1876). —
Schon in seinen „Bergbleaml'n", der ersten Gedichtsammlung, die Karl Stieler in oberbairischer Mundart herausgab, hat der Verfasser dieser neuen Dialektdichtungen große Formgewandheit, feine dichterische Empfindung und reichen Farbensinn, namentlich für den Localton des bairischen Gebirgs bekundet. Es darf nicht Wunder nehmen, daß die vorliegende Sammlung, die in Jahren herangewachsen ist, diese Vorzüge in noch höherem Grade aufweist, als die frühere. Denn der fast unbekannte Autor der „Bergbleaml'n" ist inzwischen einer der ersten deutschen Feuilletonisten geworden; eine Reihe illustrirter Prachtwerke, welche vorzügliche Naturschilderungen und Volksstudien enthalten, nennen Karl Stieler als den Verfasser des Textes, so „Aus deutschen Bergen", „Rheinfahrt", „Italien" und das eben begonnene Prachtwerk „Elsaß-Lothringen" (Stuttgart), das wir noch eingehender besprechen werden. Besonders lobenswerth scheint uns in der vorliegenden Sammlung, daß der Verfasser ganz frei von Sentimentalität das Leben und Treiben seiner Gebirgsbewohner darstellt und die Gebirgsidyllen, die ihm in die Feder kommen, nirgends verhimmelt. Was gesittete Literarhistoriker, die im Dunste großer Städte aufgewachsen sind, mit Jeremias Gotthelf auf- immer verfeindet, die göttliche Grobheit seiner Buben und Meitscheni und der Dunst der ^wmenthaler Vtehställe, der überall in seinen Romanen zu Hause ist, das ^ag diesen zartbesaiteten Nerven vielleicht auch Stieler's „Was mi freut" unleidlich machen. Wir unsrerseits stimmen dagegen dem Verfasser durchaus bei, wenn er in der Vorrede „über Ziele und Grenzen der Dialektdichtung" s°gt: „Das erste Erfordernlß, das man an dialektische Dichtungen stellt, ist