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April trat plötzlich die Krankheit unsres Meisters, ein Lungenleiden, auf das Bedenklichste in den Vordergrund; alle Arbeit wurde vorläufig zurückgestellt, im April schon ein Sommerhaus (wieder in Kosel's Garten, jedoch ein andres) bei Dresden bezogen und dann zu einer Cur in Ems geschritten, wohin Weber am 3. Juli auf zwei Monate ging. Auf der Reise dahin sprach er abermals bei Goethe ein; in Ems aber fand er einen erlesenen Kreis, der ihn mehr in Anspruch nahm, als'zuträglich war, darunter Kronprinzessin Elisabeth von Preußen, Prinz Friedrich, nachmaliger König von Sachsen, P. A. Wolf, der Dichter der Preciosa, die berühmte Sängerin Milder zc., und hier empfing er auch den Besuch von Kemble und Sir George Smart, dem Director der „Roz^I-NusioLanä" zu London, welcher Letztere ihn einlud, dort bei ihm Wohnung zu nehmen. Auf der Rückreise aber genoß er zu Frankfurt die Freude feierlichen Empfangs gelegentlich einer Aufführung der Euryanthe, bei der man den Hochgefeierten „mit Trompeten- und Paukenschall" (wie das Tagebuch meldet) begrüßte. — Am 1. September wieder in Dresden angelangt, griff Weber nun mit ganzer, ihm noch zu Gebote stehender Kraft zum Oberon; schon am 8- begann er dessen Jnstrumentirung und überhaupt wurde die Arbeit namhaft gefördert trotz zeitraubender Vorbereitungen zur Aufführung von Spontini's Olimpia(!), die zur Feier der Vermählung des Prinzen Maximilian von Sachsen am 12. November in Scene ging, und für welche Weber sogar noch Musik und Recitative zu einer eingelegten Schluß-Scene componiren mußte. Solcher Störungen ungeachtet waren am 18. November von den drei Acten des Oberon die beiden ersten (ausschließlich des zweiten Finale) vollendet. Jetzt trat jedoch eine neue und wichtige Unterbrechung des Schaffens am Oberon ein: die Einstudirung und Leitung der Euryanthe zu Berlin, die endlich, nach zweijährigen Kämpfen, am 23. December daselbst zur Ausführung gelangte, und zwar in so ausgezeichneter Weise und mit einer so begeisterten Aufnahme seitens des Publicums, wie dies bisher kaum irgendwo der Fall gewesen. Es erfüllte sich, was schon vor der Aufführung Weber an Graf Brühl geschrieben hatte: „Ich bin überzeugt, daß Euryanthe erst in Berlin in allen ihren Intentionen hervortreten wird." Die Ausführung anlangend wäre die Besetzung vortrefflicher kaum zu denken gewesen. — Bader war namentlich nach allen Richtungen hin gleich unübertroffen, er warderAdolar „wie er sein soll" — „durchaus herrlich!" wie Weber selbst der Gattin schrieb. — Diese Aufführung war des Meisters letzter großer Triumph im deutschen Vaterlande; sie hatte ihn aber auch aus das Tiefste erschöpft, und schreckenerregend verändert sah ihn am 31. December Dresden wieder. Doch die große (und wie er wohl fühlen mochte) letzte Aufgabe seiner irdischen Laufbahn rief ihn unerbittlich zu neuen Anstrengungen wach. Das Jahr 182 6, das ihn uns rauben sollte, sah ihn am 6. Januar Grenzboten II. 1872. 62