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verschieden, und ebensowenig stechen die Menschen durch äußere Eigenschaften, Größe, Gesichtsbildung und dgl. irgendwie von uns ab. Weder Centauren noch Cyklopen, sind sie uns europäischen Sterblichen vielmehr in diesen Beziehungen so ähnlich wie nur möglich. Selbst ihre Sitten gleichen den unsern in vielen Stücken. Sie essen und trinken gern was Gutes wie wir, sie freien und lassen sich freien, wie wir, sie speculiren in Papierchen wir wir, sie halten ganz wie wir die Stiefelwichse nicht für eßbar und tunken keine Fensterladen in ihren Morgenkaffee.
Und dennoch sind sie gar wunderliche Käuze und ein ganz entschiedenes Zubehör zur verkehrten Welt, wie wir sogleich sehen werden.
Unser Reisender fand es zunächst auffallend, daß die Leute, denen er begegnete, fast ausnahmslos von außerordentlicher Schönheit waren und durch- gehends ein gesundes Aussehen hatten. Als er aber nähere Bekanntschaft mit ihnen machte, erfuhr er, daß dieß die Folge einer eigenthümlichen Verwirrung in ihren Borstellungen war. Er hatte eben nur die Gesunden zu sehen bekommen, die Kranken und Krüppel saßen im Gefängniß. Unter den Ere- wohniten hatten nämlich Verbrechen und Krankheit die Stellen vertauscht. Sie betrachteten Kranksein als Sünde, und einen schlechten Charakter haben, einfach als eine Folge von Unwohlsein. Einen Dieb schickte man deshalb zum Arzte, einen Erkrankten zum Richter. Die Gesundheit, so sagte man dem darüber verwunderten Reisenden, ist in unsre eigne Hand gelegt, jeder kann sich vor Fieber, Erkältung, selbst vor Schwindsucht hüten, wenn er nur lernen will, was diese Uebel veranlaßt, und dann nach seiner Kenntniß handelt. Allerdings mag es erbliche physische Fehler geben, aber die bürgerliche Gesellschaft kann davon keine Notiz nehmen; denn das wäre gerade so, wie wenn sie dem Mörder gestatten wollte, sich zur Entschuldigung seiner That auf den phrcnologischen Schädelbuckel zu berufen, in welchem der Mordsinn sitzen soll. Mit dem Verbrechen verhielte es sich anders. Das wäre das Symptom einer erkrankten Natur, die ihrerseits ihre Ursachen in Dingen hätte, von denen der Patient nichts wüßte, weshalb es eine Monstrosität sein würde, ihn dafür in Strafe zu nehmen.
Hieraus ergeben sich in dem Buche eine Menge zum Theil recht ergötzlicher Situationen. Der Reisende wird bald nach seiner Ankunft beim Kragen genommen und eingesteckt, vorzüglich, weil er in Folge seiner Reisestrapatzen ein kränkliches Aussehen hat, und man läßt ihn nicht eher wieder los, als bis er sich vollständig erholt hat.
Später wohnt er dem Verhör und der Aburtheilung eines Erewohniten bei, der angeklagt ist, die Lungenschwindsucht zu haben, und sein Bericht von der Rede, die der Richter bei dieser Gelegenheit hält, ist das Lustigste, was man lesen kann. Früher hat auf dieses Verbrechen die Todesstrafe ge-