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der Andeutung, in welche Abhängigkeit unsere Negierung Angesichts der enormen Summen, welche sie auf den Bahnbau bisher verwendet hat, dem Reich gegenüber versetzt worden ist, und sie wird nur durch ein Einlenken auf den ihr durch den Antrag des Fürsten von Hohenlohe-Langenburg vorgezeigten Weg den Staat vor noch größeren Verlusten, welche für die Zukunft unausweichlich erscheinen, bewahren können. Ob aber auch hier die richtige Einsicht durchdringt, möchten wir Angesichts des engen politischen Horizonts unserer in den Ideen eines Moritz Mohl herangebildeten höheren Verkehrsbeamten bezweifeln. Man denkt nicht an die Zukunft, sondern giebt sich der Hoffnung hin, für den nächsten Augenblick die Gefahr durch Compromisse abwenden zu können. Mit welchem Erfolge, wird die Zukunft lehren.
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Dom deutschen Keichstag.
Berlin, den 12. Mai 1872.
Der gespannte Charakter der parlamentarischen Situation, wie ich denselben im letzten Brief kennzeichnete, dauert noch fort. Zwar verlautet aus der Commission, in welcher das Militärstrafgesetz vorberathen wird, daß hier die Gegensätze zwischen der militärischen und der bürgerlich juristischen Anschauung sich auszugleichen scheinen. Desto weniger ist dies der Fall in derjenigen Commission, welche das Gesetz über den Reichsrechnungshof vorzu- berathen hat. Dieses Gesetz wurde bereits am 29. April vom Reichstag der zweiten Lesung oder Specialberathung unterzogen. Die Berathung gelangte indeß nur bis zum Paragraph 19. Dieser und die folgenden Paragraphen wurden zur Vorberathung in eine Commission verwiesen, weil zahlreiche und eingreifende Abänderungsvorschläge eingegangen waren, über welche man dem Bundesrath Zeit geben wollte, sich schlüssig zu machen. Soweit das Gesetz bereits im Reichstag selbst berathen worden, hatte es die wichtige Veränderung erfahren, daß im Unterschied von der Regierungsvorlage der Rechnungshof des Reiches nicht den Chef der preußischen Oberrechnungskammer zum Präsidenten haben sollte, sondern einen eigens vom Kaiser ernannten Präsidenten, welcher so wie die Direktoren und Räthe kein anderes Amt bekleiden darf. Die Negierung hatte sich dieser Veränderung mit Nachdruck, aber vergeblich widersetzt. In der Commission, wo die Berathung des Gesetzes weiter geführt wird, hat nun, wie verlautet, der Regierungscommissar erklärt, daß ein Eingehen des Bundesrathes auf die bisher beschlossenen Abänderungen des Reichstages durchaus nicht zu erwarten sei/
Fragt man sich, weshalb die Reichsrcgierung so großen Werth darauf