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Geschichte enthält. Nun gibt es allerdings hier ein derartiges Buch, eine in vorchristlicher Zeit von einem gewissen Lalita-Vistara abgefaßte sagenhafte Lebensbeschreibung des Gautama oder Buddha, welche ein merkwürdiges Seitenstück zu der legendarischen Erzählung von Barlaam und Josaphat bildet. Alles was dort von der Jugend des Stifters der buddhistischen Religion berichtet wird, stimmt selbst in Kleinigkeiten mit der Geschichte des Johannes überein und es ist in dieser Hinsicht merkwürdig, daß ungefähr gleichzeitig und unabhängig von einander ein deutscher, französischer und englischer Gelehrter darauf kommen konnte, den Nachweis zu liefern, daß Johannes den Helden seiner Erzählung indirect dem Werke des Lalita-Vistara entlehnt haben müsse.
Auch der Stifter des Buddhismus ist nach dem Werke des Lalita ein Königssohn; auch hier ist dem Vater von einem Brahmanen geweissagt worden, sein Sohn werde dereinst seine Herrschaft und alle seine Reichthümer aufgeben und ein Buddha (das ist ein Erleuchteter) werden. Um dies zu verhüten, läßt auch hier der Vater den Sohn nur zur Freude und zum Vergnügen erziehen, und verbietet den Dienern auf das Strengste, mit ihm über Alter, Krankheit oder Tod zu reden, weil diese Dinge ihn zumeist an die Hinfälligkeit des irdischen Lebens erinnern und den Wunsch, sich in der Einsamkeit einem beschaulichen Leben hinzugeben, in ihm aufkeimen lassen konnten.
Am deutlichsten zeigt sich aber die Uebereinstimmung in der Schilderung, wie Buddha und Josaphat über die Dinge, die ihnen verborgen bleiben sollen, aufgeklärt werden. Bei Lalita macht Buddha jene drei Ausfahrten, die bei den Buddhisten eine so große Berühmtheit erlangt haben. Als er das erste Mal in Begleitung seines Wagenlenkers Candaka die Stadt Kavilavasta verläßt, um nach seinem Lustgarten zu fahren, begegnet ihm vor dem Thore ein zahnloser Greis mit weißen Haaren, runzliger Haut und schlotternden Beinen, und als der Wagenlenker dem Prinzen auf sein Befragen über dies Wesen Aufschluß gibt, ihm mittheilt, daß das Alles eine allgemeine Eigenthümlichkeit des menschlichen Lebens sei, da bricht der bestürzte Jüngling in die Worte aus: „Ach! was sind die Menschen so thöricht, sich von der Jugend berauschen zu lassen, ohne das Alter zu sehen, das ihrer wartet. Was mich anbelangt, so begebe ich mich hinweg; was habe ich, die einstige Beute des Alters, mit dem Vergnügen zu schaffen!" Und er ließ den Wagen wenden und fuhr nach Hause, ohne den Lustgarten gesehen zu haben. Ein andermal fährt er wieder aus und begegnet vor dem Thore einem Manne, der vom Fieber befallen, mit Schmutz bedeckt, kaum im Stande ist, zu athmen. Auch hier gibt ihm sein Wagenlenker Aufschluß, daß die Krankheiten nicht nur einzelne, sondern alle Menschen bedrohen, daß sie das gemeinsame Loos