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So schrieb vor zehn Jahren, ein halbes Jahr vor dem Eintritt Bis- marcks ins preußische Ministerium, einer der ehrlichsten und begabtesten deutschen Nadicalen über seinen heimathlichen Staat, auf welchen nach einem Jahrzehnt der tiefsten Erniedrigung wiederum die Hoffnungen der besten Deutschen sich richteten. Die Anschauungen Ludwig Simons wurden damals zweifellos getheilt von der überwiegenden Mehrheit des deutschen Radicalismus und selbst von einem guten Theil des deutschen Liberalismus. Für einen Erilirten, für einen der radicalsten Geister der Frankfurter Linken schrieb Ludwig Simon sogar überaus verständig und real-politisch. Ja, man durfte nach dieser Broschüre von ihm erwarten, daß er rückhaltlos sich der neuerwachten nationalen Bewegung in Deutschland anschließen werde, sobald die deutsche Bormacht von den legitimen Schwächen sich frei zeigen würde, welche Ludwig Simon bei ihr voraussetzte, und sobald sie das deutsche Einheitswerk ernstlich in Angriff nahm.
Vier Jahre später hatte Preußen die „vertrockneten Pergamente eigener und fremder Legitimität" zerrissen — allerdings auch die Legitimität des österreichischen Vorpostens am Main, der sich die „Freie Stadt Frankfurt" nannte. Das Parlament, so frei und vollberechtigt, wie je eines in Deutschland war wieder erstanden. Das Vaterland Ludwig Simons war geeint bis zum Main. Daß es nicht darüber hinausging, war nicht die Schuld der „Hohen- zollern," sondern anderer Leute, die an der Mainlinie festhielten, obwohl „der Zeiger des urewigen Entwickelungsrechtes der geschichtlichen und politischen Nothwendigkeit mitten auf Mittag stand." Nichts hätte nun Ludwig Simon gehindert, in der preußischen Stadt Frankfurt a. M. einen Nachtrag zu der obigen Broschüre herauszugeben, in welchem er freudig die große Verjüngung und Kräftigung Deutschlands begrüßt, und eingeräumt hätte, er sei nun „entwaffnet", die „Reform von Oben sei durchgesetzt" und „der Saft habe die gottlose Triebkraft" wiedergewonnen. Wir zweifeln nicht daran, daß ein einziges solches Wort, nicht etwa an den König gerichtet, sondern an alle Landsleute daheim im Vaterlande, auch über die „Desertion" des Flüchtlings den Schleier der Vergessenheit geworfen, und ihm die Rückkehr ins Vaterland ermöglicht hätte. Und er sehnte sich in der That zurück. Er hatte sein Heimweh schon im Jahre 1862 in die schönen Worte gefaßt: „Wer sehnte sich nicht danach, nach so langer Trennung seine Heimath einmal wiederzusehen? Wenn es Einem auch gelungen ist, sich im Auslande einen redlichen Erwerb zu gründen, so bleiben doch viele seelische Bedürfnisse unbefriedigt Steht auch die Wurzel in fremdem Boden, so wendet sich die Blüthe doch stets nach dem Vaterlande. Die Sehnsucht verlernen kann man nicht ohne Herzensverarmung und sich ewig sehnen nicht ohne innere Aufreibung." Aber Ludwig Simon hat dieses Wort nie gesprochen. Er hat auch dann noch nicht von seiner