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eine interessante Fassade von Ziegelstein, aus dem 11. oder 12. Jahrhundert, mit säulentragenden Löwen und Greifen an den drei Portalen, mit marmornen Seitenpfosten, die mit Schlangengeflechten und allerlei Monstren geschmückt sind, sowie mit einer Säulengalerie. — Im modernisirten Innern befinden sich Chorstühle aus dem 17. Jahrhundert, etwas schwer, doch nicht ohne schöne Motive.
In der einschiffigen gothischen Kirche Sta. Chiara ist das Kreuzgewölbe am Chor mit Fresken des Giottino geschmückt; auch die übrigen Wände waren einst mit Fresken bedeckt, sind aber jetzt weiß übertüncht, eine Barbarei, als deren Urheber der Mönch, der uns herumführte, mit schüchterner Ironie einen ehemaligen Abt des Klosters bezüchtigte. — Einen malerischen Anblick in verschiedener Hinsicht gewährten uns die großen Strebebögen, die vom Rumpf der Kirche gesondert auf dem Boden stehen und einen Durchgang gewähren, in dessen Mitte sich ein Brunnentrog befindet, wo verschiedene Weiber geschwätzig ihre Eimer füllten. — Ebenso genießt man von dem Platz vor der Kirche einen schönen Blick, sowohl auf die Bergspitze über Assisi, deren Castell eben prächtig von der untergehenden Sonne beleuchtet war, als auch auf die Gärten und Höfe der tieferliegenden Häuser, wo alles so malerisch und doch sauber durch einander gewürfelt war, wie ein Puppenspiel, sowie endlich auf die, wie gesagt, bezaubernde Landschaft.
Unsere Reisegefährten blieben zurück, während wir noch einen kleinen Gang vor das Thor machten, der Richtung zu, wo in einer Felsschlucht die Einsiedelei delle Carceri verborgen liegt, wo der heilige Francesco seine Andacht zu verrichten pflegte. Auch wir Reisenden wurden andächtig gestimmt, als wir in der Dämmerung durch die frische gesegnete Landschaft, in herrlicher Luft, dahinschritten und in heiterer Ruhe die Landleute entgegen kamen von ihrer Arbeit. Die Bergwand zur Linken, mit den zierlichen Olivenbäumchen. die immer mehr in den allgemeinen Umrissen der Dämmerung aufgingen, fächelte die Ruhe und Harmlosigkeit der Natur zu, stellte ihre hehren Massen als Schutz und Burg an die Seite. Doch die dunkle, schwarze Nacht gemahnte endlich zur Umkehr, und den übrigen Theil des Abends brachten wir drei Gesellen theils im Gespräch, theils mit Zeichnen der Wirthsleute hin.
Am frühen Morgen brachen wir auf, um das Hauptziel unseres Besuches in Assisi, die Kirche S. Francesco zu sehen. Auf dem Weg« dahin stießen wir noch auf manche andere Sehenswürdigkeiten, zunächst den wohlerhaltenen Tempel der Minerva, der auf sechs hohen korinthischen Travertin- säulen ein metopenloses Gebälk sammt dem Giebel noch trägt, und jetzt zur Kirche dient. Fünf von den neun Stufen, die hinanführen, befinden sich oberhalb der Säulenbasen. — Es war -die erste antike Ruine, die wir so wohl erhalten sahen; unser freudiges Erstaunen läßt sich daher denken. — Weiter-