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Graf Chambord und die Farben Frankreichs.
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Hraf Mamöord und die Jaröen IranKreichs.

Nach dem Manifeste, welches der König der französischen Legitirnisten am ö. Juli veröffentlichte, und in welchem er unwillkürlich vielleicht, aber sicher für die nächste, wahrscheinlich für alle Zeit auf die Wiedererlangung der Krone verzichtete, wäre die weiße Fahne, die er an die Stelle der Tricolore aufgepflanzt wissen will, immer die Fahne des monarchischen Frankreichs und jedenfalls diejenige gewesen, unter der die nationale Einheit geschaffen worden. Sie wäre die Fahne Heinrichs des Vierten, Franz des Ersten und der Jung­frau von Orleans gewesen, unter ihr wäre das Elsaß erobert und der Bar­barei in Algier ein Ziel gesetzt worden, sie werdeauch die neue Barbarei besiegen, von welcher die Welt bedroht sei" natürlich die deutsche Barbarei.

Wir sagen dazu: unter der weißen Fahne wurde die Jungfrau von Or­leans verbrannt, die Schlacht bei Pavia von Franz dem Ersten, die Schlacht bei Höchstedt von Ludwig dem Vierzehnten, die Schlacht bei Roßbach von Ludwig dem Fünfzehnten verloren. Unter der weißen Fahne verwandelten französische Barbaren-Horden die Pfalz in eine Wüste und wurde die mittel­alterliche Barbarei von Angouleme in Spniien wieder an die Herrschaft ge­bracht. Im Uebrigen aber ist zu diesem Passus de« Manifestes Folgendes zu bemerken.

Die älteste Fahne Frankreichs war blau. Chlodwig, zum Christenthum übergetreten, empfing vom Kaiser Anastasius den Titel eines Patriziers. Er legte die Abzeichen des Consulats an, den Purpurmaruel, die Chlamys. das Diadem und das von dem römischen Adler überragte Sceprer, nahm bei dieser Feierlichkeit, die in der Basilika des heiligen Martin zu Tours statt­fand, den Mantel dieses Heiligen, der von blauer Farbe war, zur Fahne und Machte dieselbe zum Banner des Frankenreiches, welches er durch allerlei ruchlose ^ist und Gewaltthat gegründet hatte.

Nach Chlodwig blieb das fränkische Königsbanner blau. Was die in dem­selben befindlichen Lilienblüthen betrifft, so waren sie weniger Wappenzeichen des Königs als Frankreichs. Ihre heraldische Form ist mit Sicherheit nicht zu erklären, aber Figuren ähnlicher Art kommen schon in den ältesten Zeiten der Culturgeschichte vor, z. B. auf Helmen und Scherben von Krugen, die in den Trümmerstätten Assyriens ausgegraben worden sind.

Die blaue Fahne Frankreichs wurde unter Ludwig dem Sechsten oder dem Dicken, der auch den Beinamenpörs äes eommuiivZ" führte, durch eine rothe verdrängt, indem dieser König, nachdem er das Vexin mit seiner Haupt­stadt Pontoise seinem Scepter unterworfen, die Oriflamme, die angeblich aus dem Leichentuche des heiligen Dionysius bestehende Kirchenfahne der Abtei St. Denis, die bis dahin die Grafen von Vexin als Kriegspanier getragen, weil sie sich Verlobte des heiligen Dionys nannten, zu seinem Banner erhob.

Die rothe Oriflamme mit ihren grünen Quasten war die Nationalfahne der Franzosen bis auf Karl den Siebenten. Heinrich der Sechste von Eng­land gab. nachdem er Paris erobert und sich dort hatte zum König von Frank­reich krönen lassen, die weiße Fahne, welche die seinige war. gegen die rothe Oriflamme auf. Aus Frankreich vertrieben und nach England zurückgekehrt, behielt er die letztere bei, und die rothe Rose wurde das Emblem des Hauses