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wurden Raub und Eroberung die Losung aller Parteien. Im Inneren hatte man die Principien der Gleichheit und Brüderlichkeit decretirt, und damit nur den Trieb nach absoluter Herrschaft allen Classen, allen Parteien eingeimpft. Und in dem Maaße, wie das Streben nach Herrschaft die Triebfeder der Politik wurde, schwand der Sinn für Freiheit, Recht und Wahrheit. Man prahlte mit Principientreue und redete sich anfangs wohl selbst ein, daß die hohen Worte ernst gemeint seien. Man gab sich-der Selbsttäuschung hin, aus der sich dann, Alles überwuchernd, das öffentliche Leben vergiftend, reißend schnell die bewußte Lüge entwickelte.
Der Parteikampf ist überall, namentlich auch in England, dem klassischen Lande des Parteiwesens, ein Kampf um Macht und Herrschaft. Es ist ja das Recht der Parteien, ihre Grundsätze in der Gesetzgebung und Verwaltung zur Geltung zu bringen, und je entwickelter das parlamentarische Regime in einem Lande ist, um so unvermeidlicher fällt der Triumph der Grundsätze einer Partei mit der Herrschaft der Führer derselben zusammen. Daß diese wechselnde Herrschast der Parteien in England bis jetzt weder die Stabilität des Staates erschüttert, noch die politische Gesundheit des Volkes zerstört hat, hat seine Ursache besonders in zwei Erscheinungen, die zu dem, was wir in Betreff Frankreichs bemerkt, in geradem Gegensatze stehen. Zunächst in der dem Volkscharakter entsprechenden verständigen Nüchternheit der Parteiprogramme, die immer mit klarer Bestimmtheit die Durchführung solcher Aufgaben anstreben, die von dem unzweifelhaftesten Bedürfniß gestellt werden. Die nachhaltige Gewalt der öffentlichen Meinung beruht in England, umgekehrt wie in Frankreich, auf der Strenge, mit der sie alle unreifen, verfrühten oder gar chimärischen Forderungen abweist. Selbst in den Zeiten der lebhaftesten Reformbewegung pflegt sich der Kampf der großen Parteien gleichzeitig immer nur um eine oder wenige Fragen zu drehen, um dieselbe zu einem nicht bloß die Interessen einer Partei fördernden, sondern die berechtigten Ansprüche aller Parteien und Gesellschaftsclassen nach Möglichkeit versöhnenden Abschluß zu bringen. Wohl haben auch in England die Parteien ihre Principien, die (wir sehen von manchen bedenklichen Erscheinungen der neuesten Zeit ab) um so fester gewurzelt sind, da sie auf einer Jahrhunderte alten Tradition beruhen; aber in den entscheidenden Kämpfen hütet man sich mit bewunderungswürdigem Tacte, den principiellen Charakter der Fragen, um welche die Discussion sich dreht, allzu scharf hervortreten zu lassen; man sucht vielmehr, so weit es möglich ist, das zu lösende Problem der Staatskunst seines principiellen Parteicharakters zu entkleiden, in der Erkenntniß, daß die Principien unversöhnlich sind, ein Compromiß zwischen den entgegengesetzten Interessen also immer nur auf dem Boden der Thatsachen gefunden werden kann: also gerade umgekehrt, wie in dem ooctrinären und eben