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land und England hätte sich ein Umschwung der preußisch-östreichischen Wechselwirkungen sicher auf die eine oder die andere Weise, wenn auch nur in der Haltung der englischen Presse manifesttrt.
Wenn Oestreich sich von den Velleitäten seiner auswärtigen Politik irgend welche Wirkungen auf die Schwierigkeiten versprochen hat, von denen das Beust'sche System im Innern des Staats bedrängt wird, so hat es falsch gerechnet. In Böhmen hat das System des Dualismus eine neue schwere Niederlage erfahren und wenn die Wiener Journale nichts desto weniger von Concessionen an das Czechenthum Nichts wissen wollen, so werden sie damit auf die Dauer doch nicht verhindern können, daß der Reichskanzler darauf sinnt, mit den Siegern in der böhmischen Wahlschlacht seinen Frieden zu machen, mag dieser Frieden den ohnmächtigen und klemmüthigen Deutschböhmen auch noch so theuer zu stehen kommen. Die Mehrzahl der deutschöstreichischen Landtage hat die Wahlreform allerdings günstig aufgenommen, Tyrol bekennt sich aber nach wie vor zur clerical-föderalistischen Opposition und hat dieser Stimmung in einem Programm Ausdruck gegeben, das an Feindschaft gegen das gegenwärtige System nur mit den Forderungen der Jungczechen verglichen werden kann. In Lemberg sind die Smolka'schen Anträge auf unbedingte Nichtbeschickung des Reichsraths abgelehnt worden, aber außer den radikalen polnischen Demokraten hat ein großer Theil der Ruthenen für dieselben gestimmt und gleichzeitig sind die Actien jenes polnisch-ruthenischen Ausgleichs, dessen Wichtigkeit für Oestreich wir wiederholt hervorgehoben haben, beträchtlich gesunken. Die Partei der unversöhnlichen Großrussen (Swätojurzen) thut ihr Möglichstes, um die Volksstimmung ebenso gegen Oestreich wie gegen die Polen zu verbittern und die Verhandlungen der wichtigsten Landtagscommissionen rücken nicht um einen Schritt vorwärts. In Dalmatien hat die Durchführung des neuen Wehrgesetzes den Ausbruch eines blutigen Aufstandes herbeigeführt, der wegen der von Montenegro beobachteten Neutralität Zwar nicht gefährlich erscheint, dessen die östreichischen Executionstruppen bis jetzt aber nicht Herr zu werden vermochten. Gegen die ungarische Negierung werden aus Siebenbürgen immer ergreifendere Klagen geführt und die Wirthschaft, welche daselbst von dem Obergespann Baron Apor getrieben wird, überbietet an rücksichtsloser Härte Alles, was von dem verrufenen „alten System" lemals geleistet worden. Der Minister des Innern Baron Wenckheim, — dem an den Vergewaltigungen gegen die siebenbürgischen Sachsen ein besonders reichlicher Schuldantheil aufzubürden ist, und in dessen besonderem Auftrage Herr v. Apor zu handeln vorgegeben, — hat in den letzten Tagen sein Amt in die Hände Paul Rajners niederlegen müssen; der Staatsseeretär Slawy ist seinem Chef in das Privatleben gefolgt. — In den von Ruthenen bewohnten nordöstlichen Comitaten macht die panslavistische Propaganda unbemerkte
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