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und je öfter das Volk dieser Musik zuhörte, desto mehr werde es sie lieben Utld schätzen lernen, und wenn ich nun noch hinzufüge, daß Joachim seit Ostern das Streichquartett leitet und oft eins seiner wunderbar großen Bachschen Violinsolos spielt (ich sage „seiner", weil die wirklich ganz sein innerstes Eigenthum sind), und wenn er, was Uvch mehr sagen will, ein Publicum findet, welcbes sein tiefes und warmes Spiel versteht und ihm nachempfindet, so muß doch die musikalische Nacht, die so lange übe^r England gelagert, im Schwinden, und auch dort ein rechtes Verständniß für das wahrhaft Schöne im Ausgehen begriffen sein. Ein Programm, welches die schwierigeren zur Aufführung kommenden Werke zerlegt und erklärt, und auch sonst manche werthvolle geschichtliche Notiz enthält, dient dem Laien als Führer; die in den Text gedruckten Nvten- beispicle machen ihn vorher mit den Hauptmotiven der Musik bekannt, lenken seine Aufmerksamkeit auf einzelne Schönheiten und bahnen so ein Verständniß für diese schönsten Werke unserer Meister an, welches den förderndsten Einfluß für die Entwicklung rechten musikalischen Sinnes haben muß.
Anders ist es freilich außerhalb London, wo außer Manchester Wohl kaum in irgend einer Stadt der Sinn für Instrumentalmusik geweckt ist. Kleine Chörcöncerte, in die hin und wieder zur Abwechselung eirt Jnstrumentalsatz eingestreut ist, sind alles, was die meisten Provinzialstädte erreichen. Einzelne, z. B. Leeds, Bradford, Birmingham und Norwich haben große Gesangvereine, die namentlich bei den Musiksesten in diesen Städten die Chöre bilden. Die Programme zu diesen Zusammenkünften sind so stereotyp, daß wir hier wieder, bei einer Vergleichungsweise großen musikalischen Ungeschicklichkeit, eiüe gewisse Fertigkeit in den Leistungen finden. Wenn in der Mitte Juli London sich geleert hat, der Concerte immer weniger geworden sind, die italienischen Operngesellschaften ihre Vorstellungen geschlossen Kaben und alle Musik in der Hauptstadt für die nächsten vier Monate feiert, sind in den Provinzen Irland und Schottland unzählige Agenten thätig im Arrangiren von Concerten, bis gegen Ende October die ganze Schaar italienischer, englischer und deutscher Künstler sich wieder in London versammelt und von hier in einzelnen Gesellschaften bis Weihnachten das ganze Land mit Concerten und Opernvorstellungen überschüttet. Großer künstlerischer Werth ist diesen Concerten nicht beizulegen, ihr Vorbild sind größtentheils die Londoner Morgencvncerte. So erschien z. B. Beethovens Violinsonate in in einem Programm als I)uo eoneki't-rnte, um sie dem Publicum etwas verdaulicher zu machen. Aber trotz dieses Titels und trotz einer kleinen Zustutzung. indem man einige Seiten des mittleren langsamen Satzes auslicß, nannte einer meiner Nachbarn diese Musik „Stupik^inA", begann einzuschlafen und erwachte erst wieder, als ein komisches Terzett von Haydn das Concert abschloß.
Die beiden Universitäten Englands, obgleich sie Professoren der Musik'haben.