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Politische Literatur.
Der deutsche Patriotismus vor dem Nichtcrstuhl des französischen Moniteur. — Wien. Mcniz, — Die kleine Schrift ist im Interesse Oestreichs mehr gegen Preußen, als gegen Frankreich gerichtet. Zwar erhält die preußische Regierung einiges Lob, aber die „preußische Presse" wird für alle Uneinigkeit Deutschlands verantwortlich gemacht. — Ueber die Negierungsmethode des modernen Frankreichs ist viel Richtiges gesagt; und es wäre erfreulich, wenn sich Oestreich ein Beispiel daran nähme, und die beredte Kritik des Absolutismus auf sein eignes System anwendete. Ans den gegenseitigen Anklagen der absolutistischen Mächte ist für den Unbetheiligtcn viel zu lernen. Der Verfasser stellt den orientalischen Krieg als Resultat der ehrgeizigen Napolevnischcn Pläne dar; er sagt zum Schluß! „Das unerwartete Abbrechen des Krieges nach der Eroberung einer halben Stadt und in c-cm Augenblick, wo man erst große Dinge erwartete, erregte in England und Deutschland eine unangenehme Enttäuschung." Wer gab denn aber das Signal zum Abbrechen? wer entwaffnete zuerst? Uns scheint, es war Oestreich! ist das Gedächtniß wirklich so kurz, daß es nicht über drei Jahre hinausgeht? — Oestreich habe sich in Italien an die Spitze der liberalen Sache gestellt. —> „Der Kaiser saßte den hochherzigen Entschluß, ein edles Beispiel zu geben und dadurch alle italienischen Fürsten zur Nachfolge zu crmuntern. In Begleitung seiner Gemahlin bereiste er seine italienischen Provinzen, hielt sich viele Monate dort auf und verkündete eine ausnahmlose Amnestie ... Mit erweiterten Befugnissen wurde eine Landesvcrtretung hergestellt u. f. w."
— In der That ist es sehr die Frage, ob die Lombarden weise handeln, auf eine gewaltsame Erschütterung des Bestehenden hinzuarbeiten; aber warum soll Deutschland sür die Vernunft der Lombarden eintreten? — Es handelt sich lediglich darum, ob es das Interesse des deutschen Bundesgebiets ist, das am Po verfochten werden soll, und da kommen die östreichischen Publicisten stets auf das Argument zurück: läßt Deutschland Oestreich dies Jahr im Stich, so rückt Napoleon im nächsten an den Rhein. — Aber eröffnet sich der Krieg in Norddeutschland, ehe er in Italien ernstlich losgebrochen ist, so wird er ausschließlich am Rhein geführt; diese Logik der Thatsachen ist deutlicher als die Wahrscheinlichkeit eines Rhcinscldzugs im nächsten Jahr. —- „In Süddeutschland erwachte eine so nationale Begeisterung, daß. . . es unverkennbar wurde: das Geschlecht von 1813 lebt in seinen Söhnen und Enkeln unverändert fort." Ist das nun Ironie oder Unwissenheit? Das Letztere wäre doch etwas stark!
— „Die königliche Regierung in Berlin weiß, daß Oestreich den Rathschlägen seiner Freunde gern Gehör gibt." Weiß sie das wirklich, so verdient sie ernsten Tadel, diese bisher völlig unbekannte Thatsache dem Publicum vorenthalten zu haben. Warum kommt ihr aber Oestreich nicht mit dieser Publication zu Hilfe? — Schließlich wird die Betheiligung Oestreichs am Kongreß davon abhängig gemacht: 1) daß Sardinien im Rath der Großmächte keine Stimme hat, 2) daß es vorher entwaffnet. — Die erste Forderung ist vollkommen gerecht, die zweite aber unhaltbar. Einem zehnfach übermächtigen Gegner gegenüber, der — freilich provocirt — zuerst gerüstet hat und mit einer furchtbaren Armee hart an den Grenzen steht, die Waffen zu strecken — so etwas verlangt man erst nach einem entscheidenden Sieg. W>c es nach der neuesten Depesche scheint, hat man einen Mittelweg gesunden. —
'verantwortlicher Redacteur: I). Moritz Busch — Verlag von F. L. Herbig , in Leipzig.
Druck von C. E. Elbert in Leipzig.