Jahrgang 
1914
Seite
125
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geraten. Die Irrwege bodenreforme- rischer Bestrebungen untergraben die Bodenständigkeit der Bevölkerung . .. Alle, die unsre Auffassung teilen, for­dern wir auf, sich uns anzuschließen, um unsern, einer gesunden Volkswirt­schaft dienenden Grundsätzen wieder Geltung zu verschaffen zum Heil und Segen unseres deutschen Vaterlandes!"

Tatsächlich handelt es sich hier um einen Versuch, die öffentliche Meinung irrezuführen. Daß es gerade das Ziel der Bodenreformer ist, Menschen, die infolge der Bodenpolitik des Schutz­verbandes und seiner Mietskasernen der Bodenständigkeit verlustig gegangen sind oder verlustig gehen, wieder boden­ständig zu machen, daß ihre ganze Arbeit Forderung der Steuer nach dem gemeinen Wert und der Zuwachs­steuer, Anwendung des Lrbbaurechts, Reform des Realkredits, Förderung der Gartenstadt-und Ligenheimgesellschaften usw. ganz allein diesem Ziele dient, davon sagt der Schutzverband natürlich nichts. Er sagt im Gegenteil, die Boden­reform untergrabe die Bodenständigkeit der Bevölkerung. Und damit sagt er eine Unwahrheit. Oder sind mitBevölke­rung" etwa nur die Mitglieder des Schutzverbandes gemeint? Line solche Anwendung des WortesBevölkerung" würde zum mindesten mißverständlich sein und nicht von übergroßer Be­scheidenheit zeugen. will er etwa nur sagen, daß die Bodenspekulation durch die Arbeit der Bodenreformer ein wenig gestört wird? wir würden uns aufrichtig freuen, wenn es der Fall wäre. Mag sein und das würden wir bedauern daß hier und da auch einmal ein Haus- oder Grund­eigentümer von den neuen Boden­steuern zu hart getroffen wird. viel­leicht meint der Schutzverband die, wenn er vonBevölkerung" spricht. Dann soll er aber auch sagen, wie er ihnen helfen will, daß er nämlich Steuern auf Grund und Gebäude mög­lichst einschränken will, und auch, was noch wichtiger ist, sagen, wie er Ersatz schaffen will. Aber davon steht in der

Kundgebung nichts. Ls heißt nur:Die Bodenständigkeit der Bevölkerung wird untergraben." Ich füge hinzu:und das Vaterland ist in Gefahr".

Denn diese Auffassung möchte man dem Leser offenbar beibringen. Ganz leise zwar, aber doch merklich wird an­gedeutet, daß Bodenreform und Kom­munismus einander nicht fernstehen. Und das ist das Schlimme bei der Kundgebung. Nicht der Kampf des Schutzverbandes an sich, solange er in einer sachlichen Widerlegung boden- reformerischer Lehren besteht. Wohl aber diese Art des Kampfes. Ihr kann man nicht scharf genug entgegentreten. Sie bedeutet in der Tat eine Gefahr für das Vaterland. H. Laackmann.

Buch und Schule. Zwischen Buch und Schule besteht heute ein so inniger Zusammenhang, daß man von derB u ch - schule" als Typus redet. Anstelle dieser Form möchten die modernen Re­former die Arbeits-, Lebens- oder Tatschule setzen. Daß heute das Buch in der Schule eine viel zu bedeutende Rolle spielt, kann niemand leugnen. Ls klingt paradox, aber es ist wirklich so: die Erfindung der Buchdruckerkunst ist unserer Schule verderblich geworden. Und nicht nur in körperlicher Hinsicht (Kurzsichtigkeit, Krummsitzen nebst Fol­gen), sondern auch in geistiger Hinsicht. Der Lehrer, der vielleicht sich nicht vor­bereitet hat oder nicht recht vortragen kann, z. B. Geschichte, verläßt sich auf das Lehrbuch. Darin steht ja das Pen­sum ganz genau. Ebenso die Schüler: was brauchen sie zuzuhören, sie finden ja alles zu Hause im Buche, wenn sie den Geschichtsstoff wiedergeben sollen, so haben sie außerdem das Buch auf dem Tische, in das sie im Falle äußerster Not einen Blick werfen können. Man muß die Erfindungsgabe und Geriebenheit > der Schüler und Schülerinnen bewundern, wie sie die Möglichkeiten dazu vorbe­reiten und einrichten, wir sehen jeden­falls: Das Buch macht den Schüler unselbständig, es verleitet ihn zum Be­trüge seiner selbst und des Lehrers.