Jahrgang 
1914
Seite
121
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Aber dies ist nur ein Teil unserer Frage. Nicht nur den heiteren Künstler bezahlt inan besser als den ernsten man bezahlt überhaupt den reproduzierenden Künstler besser als den produzierenden. Und dies kann man nicht mehr wirtschaftsrechtlich mit dem Gesetz des Umsatz­nutzens ausreichend begründen.

Hier handelt es sich vielmehr um einen ganz gesährlichen Irrweg unserer Kultur. Deutsch ist es jedenfalls nicht; denn das deutsche volks- tum hat es nie mit Veräußerlichungen gehalten, sondern in seiner Seele nach werten gesucht und diese auf die Außenwelt projiziert. Es ist vielmehr eine Art Götzenanbetung und dazu eine Gberflächenkultur. Reproduzierende Künstler werden mit Geld gewogen, während schassende darben dürfen. Hat man nicht Arno Holz man mag über ihn urteilen wie man will fast verhungern lassen, wie Hebbel und Kleist und viele andere vor und nach ihnen? Sie lausen oder sitzen zu Dutzenden herum, die Neues zu sagen haben, was die Menge noch nicht löffelt aber zum größten Teil kennen wir ihre Namen garnicht und richten sie so zugrunde. Für den bahnbrechenden Gedanken zahlt heute kein Mensch und kein Teufel etwas: erst der Benutzer, der Reproduzierende, der viel­leicht ein paar praktische brauchbare Änderungen macht, streicht den Gewinn ein. Und sehen will man das Fertige, also den leibhaftigen Erfolg!

Aber auch hier liegt der Grund des Übels tiefer. Hat er doch seinen klaren Ausdruck sogar im Urheberrecht gefunden. Das Urheberrecht schützt Form und nicht Gedanken. Gedanken sind zollfrei; wer aber einen fremden Gedanken in eigene Form bringt, wird geschützt für diesen in Form gebrachten Gedanken. Der Referent ist geschützt für sein Referat, der Referierte aber ist selbst gegen denReferenten" vogelfrei. Der das grundlegende Buch schrieb, hat ohne Honorar Zeit, Kraft und Geld geopfert; die es stückweise ausschlachten, verdienen leicht und mühelos damit. Man hat das so gemacht, weil man Ge­danken nicht fassen kann, weil sie ungreifbar wandlungssähig und zu­gleich das Erbgut der Menschheit sind. Keiner kann ja nachweisen, daß dieser Gedanke ihm allein gehöre, daß er ihn nicht unbewußt irgend­woher entlehnt, Anregungen nur in Kleinigkeiten vervollständigt oder verbessert hat. wollte man das alles nach seinem Anteil materiell schützen, man käme aus Kuhhandel, Kompromissen, Rexartierungen und Streitigkeiten überhaupt nicht mehr heraus. Also aus praktischen Gründen hat man's so gemacht, aber gleichviel es ist entsittlichend, ist ein Irrweg der Kultur.

Kein Wunder, daß alles am Äußerlichen haften bleibt!... daß führende Theaterleute statt Shakesxearebühnen den Zirkus der 5000 schufen, daß es gewisse gutgelesene Zeitungen und Zeitschriften gibt, die Mitarbeiter mit recht langen Namen Adlige, Doppelnamen und möglichst lange Titel jedem tüchtigen Einsilbigen vorziehen.