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Der „graue Krieger" kennt keinen größeren Ruhm, als wenn er weniger „kriegerisch" gesinnte Menschen aufreizen darf mit dem Ausspruch: „Meine Kinder können Ansprüche stellen." Ansprüche nämlich, „entsprechend" zu leben. Anspruch auf „mäßigen Luxus".
wer noch nicht fühlt, wie solche Grauheit ein Volk verdirbt, der höre: Ein junger Mann, der etwas Rechtes gelernt hat und sich in gesundem, reinem Lebenswandel rotes Blut erwanderte, lernt ein frisches Mädel in einer unbewachten Stunde kennen und verliebt sich. Er spricht mit dem Vater. Der sagt dem Manne von der einfachen Lebensweise: „Meine Tochter hat Ansprüche zu stellen." Der junge Mann weiß, was er will, und antwortet: „wenn ich eine Familie gründen will, fühle ich doppelt die Pflicht, an einfacher Lebensweise festzuhalten."
Und er hat recht geantwortet; denn das Vaterland hat Anspruch auf die Tugend seiner Einfachheit. Das deutsche Weib aber, ob sein Vater Millionen Gold zusammenhäufte oder arm blieb, hat Anspruch auf einen gesunden, gewissenhaft lebenden Mann und auf eine Stube voll frischer Kinder. Auf nichts Größeres. Und das Beste, was deutsche Väter ihren Töchtern hinterlassen können, ist die ungeschwächte Fähigkeit, ihre Säuglinge an eigener Brust zu stillen.
wer auf deutschem Boden „entsprechend" leben will, dem zeige man den nächsten weg zur Grenze, und sei er der beste Steuerzahler. Aus vaterländischen Gründen trotz aller „Volkswirtschaft".
Hans Paasche.
Das Halbweltliche in der Kleidung unsrer Frauen.
Am „vornehmsten Ballokal" der Stadt stauen sich die wagen. In spiegeliger, wirrer Schattenreihe stehen sie vor dem knalligen Licht der Bogenlampen am Portal; schrittweise rücken sie zur Abfertigung vor. Der Portier öffnet Schlag um Schlag. Die feinere Halbwelt begibt sich zum Tanz. Der Portier erweist den Damen und Herren dieser Welt die ihnen zukommenden Ehren. Er kennt seine Kunden. Die Kavaliere gehen an seiner strammen Untertänigkeit mit Verachtung vorbei. Lackschuhe, tadellose Bügelfalten, ein Frack, mit dessen Sitz man dem Schneider einige unangenehme Wochen bereitet hat, ein nachlässig übergeworfener Mantel, schneidig kurzgeschorenes Haar oder eine distinguierte Glatze, der Zylinder, fehlerfreie Wäsche — wenn das noch nicht Überlegenheit verleiht! Dann tut's sicher ein unrührbares Gewissen, das noch nie eine Niederlage gefühlt hat, und ein Mangel an Ganglien in derjenigen Gehirnxartie, die für die Bildung des sozialen Weltbildes wichtig ist. Diese
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