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Deutschland als Kolonialmacht : Dreißig Jahre deutsche Kolonialgeschichte / Hrsg. vom Kaiser-Wilhelm-Dank Verein d. Soldatenfreunde
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Seite
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angewiesen, die unter den Schwarzen schonungslos hausten und die Pflanzer gewissenlos schröpften.

Zur Überwachung der Ausführung der Verordnung betreffend die Rechtsverhält­nisse der eingeborenen Arbeiter vom 27. Februar 1909 und der Anwerbeordnung vorn 27. Februar 1909 wurden besondere Beamte, die Distriktskommissare, eingesetzt. Da man zu solchen nur ältere erfahrene Sekretäre auswählte, erwiesen sich diese neuen Behörden in vielen Beziehungen segensreich und werden weiterbestehen. DemZuviel" in der Arbeiterverordnung und demZuwenig" in der Anwerbeordnung bemüht sich Rechenbergs Nachfolger zurzeit durch zwei abgeänderte Gesetzentwürfe abzuhelfen. Auch die Nechenbergsche Jagdverordnung mußte einen Nachtrag erhalten, weil sie das Großwild, namentlich die Elefanten, nicht genügend gegen gewerbsmäßige Schießer schützte; im allgemeinen aber verdient es Anerkennung, daß der Gouverneur den Vieh­stand und die Pflanzungen gegen die Schädigungen, die ihnen ein übertriebener Wild­bestand bringt, zu schützen bestrebt war, trotz des Lamentos einiger mehr eifriger als einsichtiger Sportsafrikaner.

Nechenbergs Sorge galt, seinem Prinzip entsprechend, vor allen den Eingeborenen- knlturen oder doch solchen, die geeignet erschienen, dazu zu werden. Hier ist in erster Linie die Baumwolle zu nennen. Dem Kolonialwirtschaftlichen Komitee und seinem verdienstvollen Vorsitzenden Karl Supf sind die ersten Beschaffungen und Austeilungen einer einwandfreien besonders ägyptischen Saat, die Anlage von Ginnereien, Pressen, die Garantierung von Minimalpreisen und die Gründung von Versuchs- und Lehrstationen zu danken. Rechenberg knüpfte hier an und übernahm die Anlagen des K. W. K. für das Gouvernement, das sie vermehrte und verbesserte.

Großzügig war Rechenbergs Finanzpolitik; sie erinnerte vielfach an Bennigsen. Freilich hatte er bei den vervielfachten Einnahmen des Schutzgebietes es nicht mehr nötig, den Etat zu überschreiten; in: Gegenteil schloß Jahr für Jahr mit gewaltigen Ersparnissen ab. Sie ermöglichten, einen Ausgleichsfond anzulegen für magere Jahre, die nicht ausbleiben werden, falls einmal der Goldstrom versiegt, den die Bahnbauteil in Gestalt von Arbeitslöhnen in das Land bringen.

Reformiert wurde im Dezember 1907 die Gewerbesteuer, die damit um 100 000 Mark hinaufschnellte und in jedem folgenden Jahre um weitere 75 000 Mark stieg. Die Hütten­steuer stieg jährlich im Durchschnitt um 500 000 Mark. So konnte 1909 zum erstenmal das Schutzgebiet im Etat als finanziell selbständig erscheinen, indem der binnen vier Jahren um 3V2 Million, d. h. auf die Hälfte verringerte Neichszuschuß nur noch zum Unterhalt der Schutztruppe nötig war.

Unter diesen günstigen Finanzverhältnissen wirkte auch eine an und für sich sehr bedauerliche Maßregel nicht so schädlich, wie befürchtet worden war: die Aufhebung der bewährten alten Kommunalverbände durch Dernburg, an der Rechenberg mindestens mitschuldig ist. Ihr Vermögen erschien 1909 im Etat des Schutzgebietes als Einnahme­posten in Höhe von fast einer Million. Aber durch Zuweisung reich dotierter Selbst­bewirtschaftungsfonds erhielten die Bezirke ebenso große und wenigstens teilweise größere Mittel als früher.

G 0 u v e r u eur S ch n e e.

Nechenbergs Nachfolger wurde 1912 Dr. Schnee. Im Reichstag geben zurzeit Zentrum und Sozialdemokratie den Ausschlag. Humanität und Arbeiterschutz sind demuach die Schlagworte der Kolonialpolitik. Man könnte sagen: Dernburg und Rechenberg haben nach ihrem politischen Tode bei dem Reichstage gesiegt. An ihre Stelle sind Dr. Solf und Dr. Schnee getreten. Unter den obwaltenden Verhältnissen ver­dienen die Maßnahmen zur Behebung der Arbeiternot, die unter den neuen Männern getroffen wurden, alle Anerkennung. Die von den ostafrikanischen Pflanzern ver­langte Anwerbung durch das Gouvernement findet in den westafrikanischen Kolonien bereits statt, und Dr. Solf hat sich jüngst durch Augenschein überzeugen können, daß