Deutsche Einwanderung,
Werk gesetzt worden. Man kann daher auch von einer fortlaufenden Geschichte der deutschen Einwanderung kaum sprechen- es handelte sich vielmehr immer bloß um kräftige Ansätze, die nur sür kurze Zeit Wirkung hatten; in der ersten Zeit lassen sich in der Hauptsache drei solche Anstöße beobachten, die ihrer Natur nach sehr voneinander verschieden sind. Für die beiden ersten lag die Veranlassung in den Zuständen und Verhältnissen der alten Heimat; es waren nicht irgendwelche Vorzüge des neuen Erdteils, die die Auswandernden anlockten, sondern lediglich die Hoffnung, hier so srei wie nirgends anders leben zu können.
Die ersten größeren Scharen von Deutschen, die Ende der dreißiger Jahre des verflossenen Jahrhunderts eintrafen, waren märkifche und pommersche Bauern, unbeugsam strenge Lutheraner, die sich durch die Maßnahmen der preußischen Kirchenpolitik, vor allem die „Neue Agende", in der Freiheit ihres religiösen und kirchlichen Lebens bedroht fühlten; sie bildeten nur einen Bruchteil derer, die damals zum Schmerz ihres Landesvaters, Friedrich Wilhelms III., um ihrer religiösen Ueberzeugung willen die heimatliche Scholle verließen uud sich sonst größtenteils nach Nordamerika wandten.
Ganz andern Charakter trägt die deutsche Einwanderung in den Jahren nach 1848. Damals waren es die innerpolitischen Ereignisse, die viele Deutsche dazu brachten, ihrem Vaterlande den Rücken zu kehreu. Dieser Veranlassung entspricht es, daß die in jenem Jahre einwandernden Deutschen zum größten Teil den gebildeten Ständen angehörten und sich nicht auf dem Lande, sondern in den Städten niederließen. Es hatte sich damals in Berlin auf Veraulasfung Schomburgks und Mückes eine besondere Gesellschaft sür deutsche Auswanderung nach Australien gebildet; fie entbehrte jedoch des festen inneren Zusammenhaltes, und die auf ihre Veranlassung Ausgewanderten haben sich überallhin im Lande verstreut.
Der erneute, mehrere Tausend Köpfe starke Zuzug deutscher Elemente in den sünsziger Jahren hatte, im Gegensatz zu der eben besprochenen Einwanderung in den dreißiger und vierziger Jahren, ausschließlich wirtschaftliche Ursachen; die Entdeckung umsangreicher und ergiebiger Goldlager im Jahre 1851 brachte eine große Steigerung der sremden Einwanderung hervor und zog naturgemäß auch viele Deutsche, namentlich Bergleute vom Harz, ins Land, die nun ihr Glück zu machen hofften. In den sechziger Jahren hat in Queensland die Regierung ein starkes Zuströmen deutscher Elemente veranlaßt.
Seit dieser Zeit ist die deutsche Einwanderung nicht mehr durch irgendwelche spontan wirkende Umstände gefördert worden. Höchstens könnte eiue gewisse Bedeutung in dieser Beziehung dem Verbot der Kanakeneinsuhr beigemessen werden, das den Großvlantagenbetrieb teilweise unmöglich machte, viele Parzellierungen Hervorries und so zahlreiche gute Brotstellen sür bäuerliche Siedler schus. Möglich auch, daß das 1859 erlassene von der Heudtsche Restript mit seinem Verbot der Auswanderung nach Brasilien in etwas auch Australien zugute gekommen ist.
Nach der freilich unvollständigen deutscheu Statistik gingen in den siebziger Jahren jährlich durchschnittlich über 1000 Personen nach Australien; ihren Höhepunkt erreichte die deutsche Auswanderung hierher im Jahre 1883 mit 2104 Köpfen; aber schon im Jahre darauf wurden nur 666 gezählt, und seitdem sind die Ziffern von Jahr zu Jahr mit ziemlicher Regelmäßigkeit weiter zurückgegangen. 1889 sank die Zahl unter 500, 1892 unter 400, 1893 unter 300, und danach ist sie nur noch einmal, im Jahre 1897, über 300 hinausgegangen. Daß sie im letzten Jahre, 1904, sogar aus uuter 100 herabging, zeigt, daß die Entwicklung noch immer abwärts sührt. Im ganzen sind von 1871 — 1904 21022 Reichsdeutsche eiugewcmdert; alles iu allem wird die Zahl der seit 1828 eingewanderten Deutschen auf 65 000 geschätzt.