durchgängig schlechtem Licht erscheinen lässt. Doch war Hollemann schwerlich der typische Pirat und Kaper, der sich durch Bereicherung an fremdem Hab und Gut eine zweifelhafte Existenz aufgebaut hatte. Die Annahme, er habe sich als notorischer Seeräuber mit seinem Schiff in den Hamburger Hafen - gleichsam in die Höhle des Löwen - begeben und sei dann auch noch maßlos verwundert gewesen, als man ihm dort Schwierigkeiten bereitete, hat wenig Wahrscheinlichkeit für sich. So naiv und blauäugig wird er nicht gewesen sein. Vielmehr ist der diesbezügliche Chronikabschnitt 200 wohl so zu verstehen, dass Hollemann als unbescholtener Kaufmann in geschäftlicher Absicht nach Hamburg segelte, dort aber aus nicht näher genannten Gründen festgehalten wurde, so dass er zur Untätigkeit verurteilt war und ihm daraus geschäftlicher Schaden entstand. Erst jetzt, nachdem auch entsprechende Bittgesuche an den Hamburger Rat nichts bewirkten, mutierte Hollemann zum Rächer seiner selbst, der sich für das ihm seiner Meinung nach zugefügte Unrecht an Hamburger Frachtschiffen schadlos hielt. Mit anderen Worten: Johann Hollemann verkörpert auf geradezu klassische Weise den Typ des Michael Kohlhaas (Heinrich von Kleist), der aufgrund seines leidenschaftlichen, unbeirrbaren Rechtsgefühls zum Mittel der Selbstjustiz griff und dabei mit der Rechtsordnung in Konflikt geriet. Erst die Verweigerung seines vermeintlichen Rechts und die ihm in Hamburg zugefügte Schmach ließen aus dem Kaufmann Johann Hollemann einen Freibeuter werden, der dann allerdings für den Rest seines Lebens - möglicherweise gezwungenermaßen, weil man ihn inzwischen nicht nur in Hamburg, sondern auch in seiner Vaterstadt Bremen stigmatisierte - an dieser ungesetzlichen Lebensform Gefallen gefunden zu haben scheint. Dem entspricht auch, dass Johann Hollemann offenbar aus ehrbaren, gutsituierten Kreisen stammte, er besaß in der hauptsächlich von der führenden Kaufmannschicht bewohnten Langenstraße ein repräsentatives Steinhaus - die sog. Hollemannsburg - und war vermutlich mit der angesehenen Ratsfamilie Munt verwandt. 201 Hollemann hatte sein beträchtliches Vermögen ursprünglich also nicht durch Freibeuterei, sondern durch reguläre Handelstätigkeit angehäuft, erst seine Festsetzung in Hamburg gab seinem Leben eine verhängnisvolle Wendung. Warum man ihn in Hamburg so lange festgehalten hat, bleibt im Dunkeln. Schwarzwälder hat die Verweigerung der Zollzahlung oder die Pfändung wegen Schulden als möglichen Grund für die hamburgischen Repressalien gegen Hollemann angeführt. 202 Das ist im Prinzip durchaus möglich. Denkbar wäre aber auch, dass man Johann Hollemann in Hamburg als Bremer Bürger für das Vergehen des Bremers Tidemann Nanning, der bekanntlich des Blockadebruchs in Flandern bezichtigt wurde, zur Rechenschaft zog und büßen ließ. Das Prinzip der Kollektivhaftung, bei dem Kaufleute einer Stadt oder eines Landes für Missetaten von Berufsgenossen gleicher Herkunft, deren man nicht habhaft wurde, einstehen mussten, war damals weit verbreitet. In diesem Fall wäre Hollemann also tatsächlich das unschuldige Opfer eines von ihm selbst gar
200 Die Bremer Chronik (wie Anm. 2), cap. 463, S. 137.
201 H. Schwarzwälder, Bremens Aufnahme (wie Anm. 1), S. 61.
202 Ebd., S. 75.
66