Jahrgang 
Band 70 (1991)
Seite
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Zum Quidde-Porträt des Bremer Malers Hans Lehmkuhl

Von Karl Holl

Ludwig Quidde, der vor allem wegen seiner vielfältigen Verpflichtungen für die deutsche Friedensbewegung neben seinem Hauptwohnsitz in München zwischen 1914 und 1933 Berlin zu seinem ständigen zweiten Wohnort ge­wählt hatte, teilte seiner Gattin Margarethe Quidde in einem Brief vom Abend des 12. Februar 1930 mit:

Ich war heute nachmittag bei Lehmkuhl. Er hat ein schönes Atelier mit zwei Wohnzimmern [. . . ] und scheint Aufträge zu haben. Unter anderm hat er die Frau von KochWeser gemalt. Er soll auch ein Porträt des Mannes ma­chen [. . . ] Wir tranken zusammen Thee; dann zeichnete er mich in großem Format; zunächst mal auf Papier [...]"'

Hans Lehmkuhl (18831969), der aus einer bremischen Kaufmanns- und Bankiersfamilie stammte, war finanziell unabhängig genug, um sich früh, sei­ner Neigung folgend und seinem Talent entsprechend, die Malerei zürn Beruf zu wählen, ohne damit materielle Entbehrungen auf sich nehmen zu müssen. Im Jahre 1910 ging er zum Studium an die Akademie für bildende Künste nach München. Bereits damals mag er dem ihm vielleicht wenigstens dem Namen nach in Bremen aufgefallenen, in München längst bekannten Pazifi­sten, linksliberalen Kommunal- und Landespolitiker und Privatgelehrten Lud­wig Quidde begegnet sein. Lehmkuhls malerische Ausbildung unterbrach die Militärdienstzeit, dann der Erste Weltkrieg, an dem er, zuletzt als Oberleut­nant der Artillerie und Batteriechef, bis Kriegsende teilnahm. Auf dem Rück­zug aus Frankreich schwer erkrankt, erfuhr Lehmkuhl Heilung nach langem Aufenthalt in einem Münchener Lazarett. Seine Rekonvaleszenzzeit, die in die Wiederaufnahme seines Akademiestudiums überging, brachte ihn in Ver­bindung mit zahlreichen von ihm porträtierten Weltkriegsoffizieren, darunter seinen zum Freund, später auch zum Förderer gewordenen und in der NSDAP zu Einfluß gelangenden damaligen Leutnant Philipp Bouhler.

In der Reihe stürmischer Jahre, die sich in München an die Novemberrevo­lution von 1918 anschlössen, stand auch Quidde in der bayerischen Haupt­stadt oft im Rampenlicht öffentlichen Interesses. Vorstellbar ist, daß Lehm­kuhl in diesen bewegten Zeiten Münchens von Quidde Notiz genommen hat, auf den sich zeitweilig die Hoffnungen bürgerlicher Kreise der Stadt richte­ten, da er als ein Gegengewicht zur Politik Kurt Eisners galt. Vorstellbar wäre dann auch, daß Lehmkuhl in Kontakt zu Quidde trat. Immerhin fällt auf, daß Quidde in jenem Brief an seine Frau von Lehmkuhl wie von einem dem Ehe­paar bereits bekannten Künstler spricht.

1 Der Brief befindet sich im Nachlaß Margarethe Quiddes in der Handschriftenabtei­lung der Stadtbibliothek München.

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