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Buchbesprechungen
letzten Jahrzehnten vor dem Dreißigjährigen Krieg für viele deutsche Fürstenhöfe bezeichnend ist. Während Bremen, darin indessen auch Einzelgänger unter den damaligen deutschen Musikzentren, sich in seiner rats- und kirchenmusikalischen Personalpolitik vornehmlich aus bekenntnismäßiger Solidarität nach Emden und den Niederlanden orientierte, entsandten die Kasseler Landesfürsten führende oder begabte junge Musiker ihrer Kapelle nach Italien und Frankreich und bezogen von den Stätten der dortigen Moderne Musikalien für ihre Hofmusik.
Für die bei Engelbrecht (S. 40) noch offene Lücke in der Biographie der beiden um 1655 in Kassel auftretenden Geiger, Christoph Diesener, der schon 1635 in Celle nachweisbar ist, und dessen später auch als Komponist namhaften Sohn Gerhard, kann hier aus Bremer Quellen beigetragen werden, daß Christoph Diesener nach seinem Weggang aus Oldenburg von Juni 1652 bis Ende 1653 in Bremen tätig war, und zwar als ratsbestallter „Musicant und Violist" mit besonderer Verpflichtung zur Kirchenmusik, die er in St. Stephani monatlich auch mit seinem Sohn wahrgenommen hat.
Ein besonderes Verdienst der Engelbrechtschen Arbeit ist der mehrfach überzeugend glückliche Versuch, die häufig anonymen oder nur mit Initialen gezeichneten Musikalien der reichen Kasseler Bestände bestimmten Komponisten zuzuordnen. Für die mit C. C. signierten und anderweitig noch nicht bestimmbaren sei hier der Hinweis auf den in ostfriesischen und später in lippischen Diensten stehenden Organisten Cornelius Conradi erlaubt, den (nach A. Kappelhoff im Emder Jahrb. 1960, S. 87) Landgraf Moritz 1602 als Musiklehrer für seine Hofschule anforderte und auf dessen einzige bisher bekannte Kompositionen ich in meinem Beitrag zur Max-Seiffert-Festschrift 1948 über Conradis Schüler Johann Sommers kleines Sammelwerk „Fröhliche Sommerzeit" vom Jahre 1623 hinweisen konnte. Fritz Piersig
Johannes C. Stracke: Fünf Jahrhunderte Arzt- und Heilkunst in Ostfriesland.
Aurich (Ostfriesland), 1960, Verlag Ostfriesische Landschaft, 200 S., 9 Bildtafeln.
Im Vorwort spricht der Vf. von einem Versuch, einen Beitrag zur Kulturgeschichte Ostfrieslands und zur Geschichte des ärztlichen Standes zu liefern. Dieser Versuch ist wohl gelungen.
Im ersten Teil werden die gesundheitlichen Verhältnisse Ostfrieslands und die Entwicklung des abendländischen Arztstandes in Beziehung auf dieses Land besprochen. Die gesundheitlichen Bedingungen waren nie besonders günstig. Pest (1350 und 1665/1666), Lepra und Malaria haben hier gehaust. Der Hauptberuf als Seefahrer hat unter der Bevölkerung große Opfer gefordert, die nur durch Zuwanderung ersetzt werden konnten. Die Trinkwasserverhältnisse sind auf dem Lande auch heute noch unbefriedigend. In diesem rauhen Lande sind die „Knochenbrecher" zu Hause, in deren Kunst sich uralte magische Vorstellungen, überliefertes Können und moderne wissenschaftliche Auffassung verbinden. Das in den ostfriesischen Familien früher übliche Matriarchat hatte zur Folge, daß die Mutter die erste Helferin bei Krankheiten war. In Emden, das bereits 1509 einen eigenen Stadtarzt (Wundarzt) hatte, entstand 1520 die „Gilde der Bartscherer". Ihre „Gilderolle" enthielt zahlreiche Vorschriften. Ihr Siegel zeigte die heiligen Ärzte Cosmas und Damian, die Schutzpatrone der Stadt Emden. 1797 wurde in Emden eine Hebammenschule eröffnet. Um 1800 praktizierten 18 Ärzte in