Eine entsprechende Regelung für Bendix Levi käme nicht in Frage. 64 Diese Beschreibung vernebelte allerdings die Tatsachen: Wie andere Quellen zeigen, handelte es sich in den beiden angegebenen Fällen tatsächlich nicht nur um die freie Passage.
Isaac Heidemann stammte aus einer bereits seit 1730 in Delmenhorst ansässigen Schutzjudenfamilie. Nach oldenburgischen Quellen arbeitete er, wie offenbar bereits zuvor sein Vater Levi Heidemann, ab und zu in Bremen als Gehilfe eines Weinhändlers, der ihm »die Besorgung des Kauscher-Weins« übergeben hätte. 65 Im Rahmen dieser Tätigkeit durfte er zeitweise in Bremen wohnen. 66 David [Joachim] Cohen hatte dagegen bis 1774 seinen eigentlichen Wohnsitz in Hamburg. Als er Anfang 1774 in Oldenburg um die Erteilung eines Schutzbriefes für Delmenhorst nachsuchte, verwies er darauf, dass er seinen »meisten Handel in Bremen treibe, wo ich mich dieserhalb sehr oft aufhalten muß«. 67 Nach Information des Delmenhorster Magistrats hielt sich Cohen seit einiger Zeit »gegen monatliche Erlegung eines Sp[ezies] Ducaten« 68 in Bremen auf und betrieb dort Geldwechselei und Kommissionshandel mit Zucker, Kaffeebohnen und dergleichen. Er ginge gewöhnlich am Freitagabend nach Delmenhorst, um sich dort »den Schabbes über bey einem hiesigen Juden« aufzuhalten und kehre am Sonntagmorgen nach Bremen zurück. Am 25. Februar 1775 erhielt er Schutz in Delmenhorst. 69
Im Gegensatz zur Darstellung des Bremer Stadtrats handelte es sich in den Fällen von Heidemann und Cohen nicht nur um eine Dauererlaubnis zur Durchreise durch die Stadt. Beide konnten sich durchaus jeweils für längere Zeit in der Stadt aufhalten, und an ihren Fällen wird deutlich, dass man in Bremen gegen Mitte der 1770er Jahre in Einzelfällen dazu überging, fremden Schutzjuden von Monat zu Monat oder auch von Halbjahr zu Halbjahr ein begrenztes Wohn- und Tätigkeitsrecht in der Stadt zu gewähren, das den Nachzug der Familienangehörigen allerdings strikt ausschloss. Es scheint nach späteren Angaben möglich, dass seit den 1770er Jahren neben Cohen noch weitere Hamburger Juden von dieser Ausnahmeregelung profitierten. Erwähnt werden die Altwarenhändler Israel Meyer (mit erwachsenen Söhnen) und Jacob Seligmann. 70
64 StAB 2-P.8.E.2.b.; mit fehlerhafter Wiedergabe der Namen. Falsche Interpretation bei Markreich (wie Anm. 8), S. 11. Zu einem weiteren Vorstoß von Bendix Levi im Jahre 1786 vgl. Abschnitt 4.
65 Der »Kauscher-Wein« (Koscher-Wein) ist der nach den jüdischen Speisevorschriften als rituell unbedenklich geltende Wein. Welches Rabbinat dabei die Oberaufsicht über die Tätigkeit Heidemanns führte, ist nicht bekannt; infrage käme das Oberrabbinat in Altona.
66 StAOl Best. 31-2-43 Nr. 136; Best. 31-2-44 Nr. 73; Best. 31-4-43 Nr. 1.
67 Unter Vorlegung eines Leumundszeugnisses der Hamburger Gemeindeältesten Heymann Jochim Cohen und Israel Joseph Rintel.
68 Dass die Aufenthaltsgenehmigungen für jeweils einen Monat ausgestellt wurden, scheint zuzutreffen, nicht aber, dass für einen Monat nur so wenig zu zahlen war.
69 StAOl Best. 31-2-43 Nr. 5. Zur Begründung der Niederlassungserlaubnis vgl. Abschnitt 3.
70 StAB 2-P.8.E.2. c.l.
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