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die Kaufleute und wir vor ihm verstummten, mehr auf seine Worte,, als auf alle Speisen achteten. Unter diesen beklagte er sich mit einem Seufzer, wie grade jetzt die Fürsten und Herren auf dem Reichstag zu Nürnberg wegen Gottes Wort, diesen schwebenden Händeln und der Beschwerung deutscher Nation versammelt wären, aber zu nichts mehr geneigt wären, als die gute Zeit mit kostbarem Turnier, Schlittenfahrt, Unzucht, Hoffahrt und Hurerei zu verbringen; da doch Gottesfurcht und christliche Bitte zu Gott besser dazu helfen würde. „Aber das sind unsere christlichen Fürsten." Weiter sagte er, er sei der Hoffnung, daß die evangelische Wahrheit mehr Frucht bei unsern Kindern und Nachkommen bringen werde, die nicht von dem päpstlichen Irrthum vergiftet, sondern jetzt auf lautere Wahrheit und Gottes Wort gepflanzt werden, als an den Eltern, in welche die Irrthümer so eingewurzelt wären, daß sie schwerlich ausgerottet werden möchten.
Darnach sagten die Kaufleute auch ihre gute Meinung, und sprach der ältere: „Ich bin ein einfältiger, schlichter Laie, versteh mich auf die Händel nicht besonders, das sprech ich aber, wie ich die Sach ansehe: der Luther muß entweder ein Engel vom Himmel, oder ein Teufel aus der Hölle sein. Ich hätte Lust, noch zehn Gulden ihm zu Liebe auszuwenden, damit ich ihm beichten kann, denn ich glaub, er würde und könnte mein Gewissen wohl unterrichten." Indem kam der Wirth neben uns und sprach heimlich: „Martinus hat das Nachtmahl für euch berichtigt." Das freute uns sehr, nicht wegen des Geldes und Genusses, sondern daß uns dieser Mann gastfrei gehalten hatte. Nach dem Nachtmahl stuuden die Kaufmänner auf, gingen in den Stall, die Rosse zu versehen. Indeß blieb Martinus allein bei uns in der Stube, da dankten wir ihm für seine Verehrung und Spende und ließen uns dabei merken, daß wir ihn für Huldrich ab Hütten hielten. Er sprach aber, „ich bin es nit."
Dazu kommt der Wirth und Martinus spricht: „ich bin diese Nacht zu einem Edelmann geworden, denn diese Schweizer halten mich für Huldrichen ab Hütten." Sprach der Wirth: /,Jhr seid es nit, aber Martinus Luther." Da lächelt er mit solchem Scherz: „Die halten mich für den Hütten, Ihr für den Luther, bald werde ich wohl gar Markolfus werden." Und nach solchem Gespräch nahm er ein hoch Bierglas und sprach nach des Landes Brauch: „Schweizer, trinket mir nach einen Freundestrunk zum Segen!" — Und wie ich das Glas von ihm empfangen wollte, wechselte er das Glas, bot dafür eine Stampe mit Wein und sprach: „Das Bier ist euch unheimisch und ungewohnt, trinket den Wein." Indem stund er auf, warf den Waffenrock auf seine Achsel und nahm Abschied. Er bot uns seine Hand und sprach: „So ihr nach Wittenberg kommt, grüßet mir den Dr. Hieronymus Schürpf."
»1 Komische AottSsigur des XV. u, XVI. Jahrhunderts, wie jetzt noch Till Eulenspiegel.
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