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Nach Besprechung dieser allgemeinen Verhältnisse, von denen ich hoffe, daß sie durch das Vorhergehende in ein ausreichend klares Licht gesetzt worden sind, ist eö an der Zeit, die Grundzüge der Operationen selbst in Erwägung zu ziehen. In erster Instanz hängen dieselben stets von den Maßnahmen desjenigen kriegführenden Theiles ab, der sich in der Offensive befindet, wobei indeß nicht übersehen werden darf, daß auf ebendiese Maßnahmen auch wiederum das influirt, was der Angriff von der Vertheidigung gewärtigen zu müssen glaubt.
Allenthalben, wo Mächte im Kriege widereinander begriffen sind, haben beide Parteien selbstredend das lebhafteste Interesse, den Schauplatz auf das Gebiet des respectiven Gegners zu verlegen. Der Angriff will dies direct, indem er über die feindliche Grenze schreitet; die Vertheidigung aber will es ebenfalls, nur nicht auf unmittelbarem Wege, sondern indem sie bemüht ist, durch einen vorherigen ausreichenden Rückgang Kraft, Gelegenheit und die Gunst der Umstände behufs eines offensiven Rückschlages zu gewinnen, von dem sie erwartet, daß er bis tief in das Gebiet der feindlichen Macht hineinreichen werde. Wäre dies nicht der Fall, d. h. begönne der in der Defensive befindliche Staat den Krieg nicht mindestens mit dem Schein einer solchen Hoffnung, so würde er unter allen Umständen besser thun, sich den Bedingungen zu fügen, deren Nichtannahme den Krieg herbeiführte; denn von der Grenze auf daö Innere seiner Länder zurückgeworfen und ohne die Fähigkeit, das Verlorne zurückzugewinnen, wird er nur um so härtere Verpflichtungen einzugehen haben.
Auf den hier vorliegenden Fall angewendet heißt dies: Rußland befindet sich gegenüber von Europa und im Besonderen von Oestreich, wenn der Krieg zwischen dieser Macht und ihm erklärt sein wird, in der Defensive, weil eS voraussichtlich nicht Kräfte genug besitzt, um seinerseits zum Angriff zu schreiten; aber dabei hält es an der Hoffnung fest und macht dieselbe zur Basis und Richtschnur seiner Maßregeln: vermöge der Annäherung an seine Hilfsmittel, welche ihm der Rückgang ins'Innere gestattet und der Abziehung des Feindes von den seinigen, dann auch infolge der Wechselfalle des Krieges, zuletzt auf die Offensive zurückzukommen, und, indem es dieselbe bis in das Herz seines Gegners trägt, den Krieg zu Gunsten seiner Interessen zu bendigen. Hätte eö diese Hoffnung nicht, so würde es, unter welcher Form es auch immer sei, den ihm zugemutheten Bedingungen sich gefügt haben.
Oestreich seinerseits hat zunächst diesen möglichen AuSgang, bei Ordnung der dem Kriege zu gebenden Anlage ins Auge zu fassen und zwar wird es sich dabei die Frage vorzulegen haben: aus welcher Richtung ein möglicher Rückschlag am gefährlichsten und entscheidendsten zu treffen vermöchte. Daß
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