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Mädchenscelen gelegt hat, Neugierde, Putzliebe u. s. w. hier Befriedigung fanden, nährend die Mutter, zwischen den Bedürfnissen des Mädchens und ihren eignen Empfindungen keinen Unterschied machend, ihr alles versagte."
Diese Art, aus einzelnen Andeutungen des Dichters, die augenscheinlich nur auf den augenblicklichen Zweck berechnet sind, eine vollständige Biographie und Charakteristik zusammenzusetzen, gehört zu jener Kleinkrämerei, die uns auch bei Düntzer die aufrichtige Freude am Dichter so häusig verleidet. — Allein Herr Härtung steht gegen Düntzer noch dadurch im Nachtheil, daß er zuweilen in die handgreiflichsten Mißverständnisse verfällt. Wir wollen nur ein paar anführen. S. 89 behauptet er von Mephistopheles bei dem Besuch in Gretchens Zimmer, er habe von Fausts Empfindungen keine Ahnung. „Als Faust sich nicht losreißen kann, so meint er, derselbe stiere auf den Schatz im Kästchen hin und sei zu geizig, denselben zu opfern" Wie in aller Welt kann man die schlechten Witze des Teufels für baare Münze nehmen! So einfältig ist er in der That doch nicht. — S. 93 bei Gelegenheit der Scene im Garten. „Als Faust ihre Hände faßt/spricht sie: Mich überläufts! Noch einmal sprach der Gott in ihr, aber Fällst macht ihn stumm u. s. w." — Ein so wunderliches Mißverständniß ist bei einem Verehrer Goethes kaum zu begreifen. Gretchen überläuft nicht der Schauder vor dem Teufel, sondern der Schauder der ersten Liebe; ein Gefühl, das Goethe in seinen Gedichten häufig ganz in derselben Art darstellt, jedes Mal mit wunderbarer Wirkung. Aber vollständig verdutzt werden wir S. -109. „Faust hatte vor, Gretchen zu entführen und zu Heirath en; denn sie sagt im Kerker: Mein Hochzeittag sollt es sein. Als er flüchten mußte, gedachte er nicht lange fern zu bleiben u. s. w." Bei allen Heiligen des Himmels! wo hat Herr Härtung diese erstaunliche Notiz her! Faust, der dem Teusel Verfallene, der unstet von einem Ort zum andern getrieben wird, sollte auf die Idee kommen, eine bürgerliche Heirath einzugehen! Als das gute Kind im Kerker jene'Worte spricht, ist es ja in krankhaften Phantasien. Wer sich in den Absichten des Dichters auf eine so ungeheure Weise täuscht, darf sich freilich in dieser Beziehung einen Ungelehrten nennen.— S. 144 stellt er den Uebergang vom ersten zum zweiten Theil dar. „In dieser Frist hat Faust sich allmälig von diesem erschütternden Schlage erholt, ist durch Einkehren in sein. Inneres gebessert worden, und hat durch Umganti, mit Gott in der Natur wieder Kraft gewonnen zu neuem Wirken." Wo steht das geschrieben? Wir hören wol, daß Faust seine Vergangenheit vergessen hat, aber wie dieser Proceß seines Innern vorgegangen ist, darüber erzählt uns der Dichter nichts; und der Ausleger hat doch wol nicht die Aufgabe, zu erzählen, was hätte geschehen können, sondern was geschehen ist.
Nun finden sich neben diesen Irrthümern in dem Buch soviel brauchbare Notizen, Parallelstellen, WortelklÄrungen u. s. w., daß man dies gern von dem