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Die Wassernoth der Weichselmarschländer in Westpreußen.
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Dorf eine hat. Es sind Schankhäuser, welche von Krügen sich dadurch unter­scheiden, daß sie keinen Gaststall haben und zur Logiöaufnahme von Reisenden nicht eingerichtet sind. Sonst aber haben diese Kruge zu einem hohen Grade von mercantiler Vollkommenheit gebracht; denn sie sind mit mancherlei Gewerbszweigen verbunden, oft noch mit einer Bäckerei und Grützmühle. Hier findet der Dorfbewohner all seine täglichen Bedürfnisse und mehr als dies. Wie Bier, Schnaps und Wein, so sind auch alle Materialwaaren, Lein­wand, Wollen- und Seidenzeuge, selbst fertige Kleidungsstücke, Holz, Acker- geräthe und Töpferwaren hier zu haben. Eine solche Allhandlung ist unent­behrlich für das Dorf; insbesondere lebt' die dienende Classe ganz von ihr. Auch ist hier der Ort, wo Abends die Nachbarn bei einer Pfeife Tabak und einem GlaseMachandel mit Zucker" (Wachholder) oder Grog zusammenkom­men und schwatzen.

Kommen die Werderaner nach der Stadt, so lassen die Deutschen, im Gegensatz zu den Mennoniten, etwas darauf gehen. Ihre Kutscher tragen Livreen und Tressenhüte und wahrhast luxuriös sind ihre Equipagen mit Rossen bespannt, die manchmal ihresgleichen suchen. > ^

Die Cultur in den Werdern hat sich seit 20 Jahren bedeutend gehoben, obgleich hierin noch mancherlei zu wünschen übrig. So findet sich mit geringer Ausnahme fast überall noch die Ländereibewirthschaftung in alter Eintheilung, in Wintergetreide, Weide, Heuschlag und Brache vor. Durch eine andre Ein­theilung könnte der Boden viel größren Ertrag geben. Am zweckmäßigsten wäre wol die Neunfeldertheilung, bei welcher man jedoch mehr Dünger braucht, als hier geschieht und die Einführung der Stallfütterung. Man baut von Ge­treide natürlich mehr Weizen, wie Roggen und mehr Gerste, als Hafer. Prächtig gedeihen Klee und Luzerne und der Raps. In der Tiegenhöfschen Gegend wird auch Tabak und Kümmel angebaut. Flachs- und Hanfbau kommt nicht vor und doch wäre der letztere hier sehr wol angebracht. Von Obst wird hauptsächlich die Pflaumenzucht betrieben.

Kostspielig ist die Unterhaltung der Abwüsserungen in Werder, nämlich die der zahlreichen Gräben, Kanäle und Brücken, besonders sür diejenigen Hofbesitzer, welche sich nur durch Schöpfmühlen von dem Stau- und Schnee­wasser frei machen können. Eine solche Mühle kostet gegen Thaler und »st sieht man deren -ein Dutzend auf einem Flecke arbeiten. Sämmtliche Kanäle bilden ein großes Eniniässerungssystem. Genau bestimmt ists, wohin jeder Nachbar das Wasser abzuführen hat und es wird eifrig daranf gehalten, daß niemand einen ihm nicht zugehörigen Graben benutze. Alles Wasser sammelt sich in sogenannten Vorflutgräben, welche es den Hauptkanälen zu­führen, in die Motlau, Tiege und den Elbing. In diese Kanäle muß das Wasser der niedriggelegenen Ländereien durch jene Schöpfmühlen getrieben werden.