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Die Wassernoth der Weichselmarschländer in Westpreußen.
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ruht Haus, Stall und Scheune unter einem Dach. Auf den Höfen der übrigen stehen rechts und links die Ställe, daneben ein Backhaus unv Speicher mit Geschirrkammer und Wagenremise darunter oder eine geräumige Scheune. Thorwege, aus Eichenholz gezimmert, bezeichnen den Hofeingang. Die Thüren des Hauses strotzen von blanken Messingverzierungen. Die breiten Rauten der Fenster sind aus englischem Glase. Im Innern herrscht eine außerordentliche Reinlichkeit. Der gedielte Fußboden ist glatt und blcmkgebohnt, die Hausgeräthe theuer, oft prachtvoll. Möbel von Mahagoni sind ganz gewöhnlich und Fortepianos und Wandspiegel von schönster Arbeit. In der Küche erblickt man auf dem Gesimse nur Kupfer- und Zinngeväthe, spiegel­blank gescheuert; in den Zimmern Gerathe aus Silber und Gold, selbst Thee- und Kaffeekanne auS Silber. Die Sorge sürs Vieh, ist ein Hauptstreben des Werderaners. Darum sucht er den Stall unmittelbar an seiner Wohnstube zu haben, so daß er wo möglich trocknen Fußes in denselben treten kann. Die größte Reinlichkeit herrscht auch hier, insbesondre bei den Mennoniten. Jeder Stall gleicht einem Schmuckkästchen. Zum Abführen des Urins sind zierliche Rin­nen gezogen. Der Mist wird sogleich durch Luken hinausgeschafft. Der Fußboden ist gekohlt und stets trocken. Ohne Unterstreu stehen die Kühe hier, die Schwänze an Stricken aufgebunden, welche über Rollen laufen, damit sie nicht das Euter sich beschmuzen und täglich werden sie gleich den Pferden gewaschen und ge­striegelt. Die Gehöfte in den niedrigsten Stellen des Werders, wo gar oft durch Rückstau des Wassers Überschwemmungen vorkommen, liegen auf künst­lich aufgefahrenen Anhöhen, damit sie möglichst wasserfrei bleiben. Alle Ställe, ja selbst Wohnhäuser, sind hier so eingerichtet, daß das Vieh darin vermittelst einer schräg angelegten hölzernen Rampe auf den Boden hinaufgetritzt werden kann, wenn infolge eines Dammbruches die Gegend überschwemmt wird.

Am Ende des Dorfes stehen die Hütten (Käthen) der Tagelöhner. Zu jedem Hofe gehören deren soviele, als zur Bestellung desselben nöthig sind. Uu, aber die Erntearbriten bestreiten zu können, ruft der Landmann noch Schnitter aus den benachbarten Kreisen von dem höher gelegenen Terrain her­bei, die oft aus großer Ferne herkommen. Es sind meist polnische Leute; jeder von ihnen besucht alljährlich dieselben Höfe.

Höchst schwierig wäre dem Werderaner, bei den schlechten Wegen dieser Marschländereien, die Ausfuhr seiner Felbfrüchte. Er fährt sein Getreide da­her auch nur bis zur Weichsel oder Nogat, von wo es zu Wasser nach El- bing oder Danzig geht. Daher kommt der sonderbare Ausdruck, daß die hiesigen Landleute das Verfahren des Getreides zum Verkauf, wenn es auch p«r Achse geschieht, dasVerschiffen" desselben nennen.

Nur den Werdern eigenthümlich sind dieHakenbuden", deren fast jedes