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Die Wassernoth der Weichselmarschländer in Westpreußen.
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so daß die Pferde stecken bleiben, bei trockenem Wetter aber sich leicht so ver- hintet, daß der Pflug nicht einzudringen vermag. Unter der fetten Ackerkrume findet man durchweg dürren Seesand. Wo die Decke des ergiebigen Thones zu dünn ist, da erscheinen die sogenannten Schrindstellen, welche man in Ge­treidefeldern leicht erkennt.

Man findet hier nirgend ein großes Areal in einer Hand vereinigt. Es gibt nur Grundstücke, aber keine Rittergüter; nur Höfe, nicht Latifunvier; und doch möchte, was Besitz und Einkommen anbetrifft, so mancher anspruchs­volle Rittergutsbesitzer gewiß gern mit einem Niederunger' Bauer tau­schen. Gewöhnlich gehören nur i3 Hufen zu einer Wirthschaft. Dagegen fehlen Torsstiche und.Waldungen ganz. Ebendeshalb ist das Brennmaterial, sowie Kalk und Steine hier überaus theuer. Man benutzt zur Feuerung das dickhalmige Stroh des Getreides, welches daher hier auch mit der Sichel ge­schnitten und nicht mit der Sense abgemäht wird; ferner Schilf und Rohr und den getrockneten Kuhdünger, dessen der fette Boden weniger bedarf.

Schwer, wie der Boden, und schwerfällig wie das Graö und Getreide dieses Marschlandes, das seine dicken Halme hier kaum aufrecht zu halten weiß, sondern sich lagern muß, ist auch der Mensch. Der Werderaner hat viel Aehnlichkeit mit dem Holländer; wie dieser ist auch er starkknochig, breitschulterig, von gedrungenem festen Körper und blühender Gesichtsfarbe. Seine blauen Augen und blonden Haare verrathen den deutschen Ursprung. Dabei aber ist das ganze Wesen desselben, der in seinem ganzen Leben keinen Berg bestiegen, ja nicht einmal mit besonderer Speculation seinen Acker zu bestellen hat, lang­sam^ und bequem, sein ganzes Thun und Treiben charakteristrt ein ruhiger Ernst und Ueberlegung; er ist durch und durch von praktischer Natur; man muß ihn achten, sollte man ihn auch weniger liebenswürdig finden. Den ganzen Tag über geht er, die brennende Pfeife im Munde, langsam umher und dirigirt seine Wirthschaft, welche leicht zu leiten ist, da der Grundbesitz klein und alles darin so betrieben wird, wie schon Vater und Urgroßvater es gehalten haben. Man hört hier nirgend das Commcmdiren wie auf anderen Wirthschaften, sondern es herrscht eine gewisse Stille und die Wirthschaft geht wie ein aufgezogenes Uhrwerk ihren Gang fort.

Die Sprache des Werderancrs ist plattdeutsch, tief und breit, in einzelnen Vocalen höchst unangenehm klingend. Knechte und Tagelöhner sprechen pol­nisch.

Fett wie der Boden ist aber auch die Nahrung der Werderaner und ihr Haupterforderniß. Der Hochländer trinkt Wasser oder gegornen Trank, der Werderaner Buttermilch. Jener ißt das Schwein gebraten, dieser gekocht, nach­dem es tagelang in Sahne gebleicht worden. Selbst die Dienstleute werden gut genährt. Morgens gibts dicke Kartoffelsuppe oder Erbsenbrei und Weiß-