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Wilhelm von Kaulbach in Berlin.
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im Schönen und Häßlichen, im Einfachen und Humoristischen, in Meuschen- und Thiergestalten bis auf den Kern der Natur, verschmäht zufälliges Detail und gibt uns nur die großen bezeichnenden Züge. Und so kommt es denn, daß wir bei ihm die extremste» Gegensätze in durchgesührtester Weise finden. Auf der eineu Seite die reinste, schönste und edelste Form, wie sie das Antike vorgezeich­net und wie sie nur noch Naphael wiedergewonnen hat; aus der andern Seite die schärfsten, ausgeprägtesten Gestalten, sobald es ihm darauf ankommt, nicht mehr das einfach Schöne zu geben, sondern eine besondere Richtung, sei es eine geistige oder, körperliche, eine individuelle oder nationale Anlage in einer Figur vorwalteu zu lassen. Finden sich hierzu schon überall Beispiele in Kaul- bachs Werken, so möchte ich doch an eins der in dieser Hinsicht bezeichnendsten, an den babylonischen Thurmbau erinnern, wo der nationale Unterschied in Sitte und geistiger Richtung mit schlagendster Prägnanz und in sinnlich wahrnehm­barster Weise gegeben ist, soweit, daß selbst die begleitenden Thiere, Rinder, und Schafe der Semiten, die Büffel Hams und die Rosse der Japhetiten aufs entschiedenste uud passendste charakterisirt sind.

Soll ich noch Beispiele nennen von besonders einfacher edler Schönheit, so erinnere ich an manche Figuren auf der Blüte Griechenlands und an die Frauengruppe in der Hunuenschlacht; oder für Figuren von individuellster Eigen­thümlichkeit, so denke man an den Verbrecher aus Verlorner Ehre, an die Zeichnung zumSturm", an die Compositionen zur neueu Pinakothek, wo auch Pvrträtgestalten in dieser großen, entschiedenen Weise behandelt sind, (soweit sie nicht durch die flüchtige Ausführung verdorben wurden). Endlich denke man an den Reineke Fuchs, wo jedes Thier in seinem ganzen Wesen in gleich prägnanter Schärfe charakterisirt ist.

So scheint Kaulbach jeder Aufgabe gewachsen, und dennoch liegt auch hier grade wieder in der besondern Weise seiner Begabung die Gefahr für ihn. Nach der Seite des I dea ls die Einfa ch l)eit suchend und darin zu weit gehend, hat er manche zu allgemeine Gestalten geschaffen, die bisweilen wiederkehrend zu einem Typus werden, welcher nicht genug individuelles Leben hat. Auf der andern Seite wieder zu weitgehend im Aufsuchen deö Ausdrucks geistiger Elgeuthümlichkeit hat er darüber das allgemein Menschliche verloren. Und so finden wir bei ihm wieder manche Figur, die ohne rechte Wahrheit und Wärme des Lebens mehr wie ein verkörperter Begriff, wie der Repräsentant ciner besondern Jd^-e aussieht, deren Erscheinung etwas Fremdes, Dämonisches, fast Grauenerregendes hat, wie z. B. auf dem babylonischen Thurmba» die Arbeiter, die den Baumeister erschlagen. Natürlich läßt Kaulbachs ganze geistige Richtung, die gern zur Reflexion nnd Abstraktion neigt, diese Seite noch starker hervortreten oder ist vielmehr der tiefere Grund derselben.

Dazu kommt auch noch ein äußeres Moment: Kcmll'ach scheint fast zu Grenzbvtett. ll. -IW- 2