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Wissenschaft und Kunst.
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Wissenschaft und Kunst.

Zur musikalischen Literatur. Die kleine Schrift von >>>'- Ed. Hanslick: Vom Musikalisch- Schönen" «.Leipzig, R. Weigel -I85i) haben wir mit Vergnügen gelesen und empfehlen sie unsern Lesern als eine geistreiche und sclbstständige Ab- . Handlung. NichtGefühle", nichtEmpfindungen", sonderntönend bewegte Formen sind einzig und allein Inhalt und Gegenstand der Musik:" um diesen Satz dreht sich des Versassers Untersuchung. Obwvl wir auch seinem Endergebniß im allgemeinen beistimmen müssen, so ist es doch nicht dieses, welches unser Inter­esse vornehmlich in Anspruch nimmt, sondern vielmehr die freie, behende Art, wie er dahin gelangt. Der Versasser ist einer der ersten mnsikalischen Schriftsteller, welcher Fischers Aesthetik mit Verstand benutzt hat, nämlich durch Aneignung ihrer gesunden Principien ohne ihre Form nachzuahmen. Auch zeigt er eine recht gnte Belesenheit in der älteren musikalischen Literatur; doch sind wir überzeugt, daß eine eingehendere Prüsnng, besonders der Werke von "16301760, einen etwas abweichenden Sinn ergibt und zur Lösung der von Hanslick behandelten Fragen noch ohne Bedeutung ist. Das Verhalten zu den praktischen Bestrebungen der je­weiligen Gegenwart pflegt immer der Prüfstein theoretischer Untersuchungen zu sein: der Verfasser konnte kein günstigeres Vorurtheil für seine Schrift erwecken, als durch die Art, wie er sich über dieselben ausgesprochen. Ebenfalls über Gluck hat er sich eine unbefangene, historisch wohlbegründcte Ansicht zueigengemacht. Das alles bemerken wir um so lieber, als in jüngster Zeit von Wien ans durch dicke Bücher und nenaustauchende musikalische Zeitschriften viel Unnützes in die Welt hineingeredet wird. Vor einem Abwege möge er aus der Hut sein,, nämlich vor der Ansicht, als sei nnr in der Instrumentalmusik diereine" Musik zu finden. So hört man zwar überall, es ist aber nicht richtig und schreibt sich von der zu einseitigen Beschäftigung »üt Beethovens Werken her.

Der vierte Jahrgang der Bachgesellschast brachte die Matthäus­passion. Wem ist nicht das Herz ausgcgcmgeu, wie er das unsterbliche Werk in dieser Ausstattung erblickte! Es wäre in vieler Hinsicht wünschenswerth, wenn Johannis- passion, Ilmcill Messe und ein Band Motetten bald nachfolgen tonnten, denn be­sonders von den Orgel- und Claviersachen sind die bisherigen Ausgaben vorder­hand genügend. Das Vorwort von Julius Rietz veranlaßt uns noch zu einer Bemerkung: Dasselbe enthält neben Mittheilungen mehrfacher Abweichungen der Originalpartitur von den Originalstimmcn eine knrze Geschichte der musikalischen Evmpositivn über die Passion vor Bach. Dies war überflüssig, da hier nichts ge­geben ist, als ein Auszug aus Nochlitz und Winterfcld mit Uebcrgchung der sonsti­gen neueren Literatur. So begreift man nicht, weswegen der Eommentar über Bachs Passion von MosewinS ganz übergangen ist; und ebensowenig, warum ein neues Buch vvu Lindner über die erste deutsche Oper als Quelle angeführt wird, da es in der Relation wie im Urtheil durchaus unzuverlässig ist. Solche Excurse sollten nur dann hier mitgetheilt werden, wenn sie selbstständigen Werth bean­spruchen können, und weil Mosewius schon seit Jahren über diesen Gegenstand eine Schrift vorbereitet, so hätte man den alten würdigen Herrn einladen sollen, sein