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schütterung in der großen Reichsmaschine sich nicht gelegt hat, kann von einer Modifikation der bisherigen Politik gar nicht die Rede sein. Nichts aber kann eher dazu beitragen, dem Heere nnd Volke die neue Persönlichkeit günstig und willkommen erscheinen zu lassen, als ein glücklicher Schlag ans dem Kriegstheater. Und ein' solcher ist es, den jetzt die Freunde nnd Anhänger Nußlands vor allem ersehnen.
Daß hier in Berlin die Wirkungen des Todesfalles in sehr verschiedener Weise zntagegekommen sind, bedarf keiner Darstellung. Im allgemeinen war hier die Person des Kaisers besonders von den Zeiten des verstorbenen Königs her sehr bekannt und auch Nichtmilitärs erzählten sich mit Eifer die Anekdoten, welche jedes Mal während seines hiesigen Aufenthalts aufschössen. Sie wissen, daß er Berliner Hausbesitzer ist, und daß mehr als einmal Deputationen der Stadt ihm ihre Huldigungen dargebracht haben. Wenige sind, die nicht seine hohe Gestalt unter den Linden oder am königlichen Schloß gesehen haben, entweder zu Fuß in kriegerischem Schritt durch das Gewühl der Straßen schreitend nnd hier und da einen nnbebilf- lichcu Spaziergänger mit kurzer Handbewegung beiseitcwinkcnd, oder hoch zn Roß unter der königlichen Familie, umgeben von einem Neitertrnvp in glänzender Uniform. Das Kurze, Ganze, Energische seines Wesens ist allen Berlinern wohlbekannt, und vielbesprochen seiuc herzliche Zwanglosigkcit gegenüber der königlichen Familie, dem niederen Volke und dem gemeinen Soldaten, sowie seine' kaiserliche Haltung gegen die Anspruchsvollen und Vornehmen, gegen welche eine Haltung zu zeigen dem russischen Kaiser überhaupt lohnte. Noch besser aber als unser Berliner Volk kennen seine Person dnrch.ganz Prenßen die, welche gedient haben. Die glänzendsten Manöver und zahlreiche große Paraden besonders zur Zeit des verstorbenen Königs wurden nnter den Anspielen des verstorbenen Kaisers abgehalten. . Er war Soldat von Kopf bis.zu Fuß. Es ist zweifelhaft geblieben, ob seine Feldherrntalente bedeutend waren, aber er war der beste General ans dem Exercirplatz uud bei der Parade, mit allen Einzelheiten des Dienstes, der Montirung, der Handgriffe, Kommandos wohlbekannt, uud eiu Herr, der an dem Mechanischen des Dienstes und der Organisation des Heerwesens die größte Freude fand. Sein Urtheil über die Tüchtigkeit der Mannschaft nnd ihre Leistungen war deu preußische» Generalen eine so große Autorität, daß ihnen kaum etwas darübcrging. Durch dreißig Jahre war die ganze preußische Armee daran gewöhnt, in dem- Kaiser eine Art hochverehrten Hausfreundes zu sehen, dessen gelegentliches freies Lob und angedeutetes Bedenken vielleicht größere Wirkung hervorbringt, als die in der Familie selbst herrschende Ansicht. Die Devotion, mit welcher viele preußische Generale solche Urtheile anhörten, forderte zuweilen zu Vergleichen heraus. Die ganze preußische Armee war dem Kaiser fast ebensogut bekannt als seine eigne. Russische Orden sind so reichlich in dem preußischen Heere ausgestreut, daß sie nächst denen des eignen Landes die gewöhnlichste Zicrath der bunten Uniformen bilden, fast alle höhern Offiziere kannte der Kaiser persönlich nnd mit nicht wenigen stand er in einer Art von persönlichem Verhältniß. Bei Einführung der nenen preußischen Uniformen zeigte er nicht weniger Interesse als die damaligen Leiter des preußischen Heerwesens, er war der erste, der alles, was ihm daran gefiel, bei seiner Armee einführte. Jede Veränderung in Riemzeug, Sattlnng, im Rolle» des Mantels, i» Waffe» uud Rcglemeut, welche in einer der beiden Armeen, der