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Correspondenzen.
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ganzen Armee allmälig dem General Bosquet zn. Meiner Ansicht nach wäre es das Beste, wenn Kaiser Napoleon diesew letzteren den Oberbefehl übergäbe, indem er Canrobcrt abberuft, denn man kann nichts leichter entbehren, als eine Kapacität zweiter Ordnung, die nicht an ihrem Platze steht, und nichts vermißt sich schwerer, als eine Befähigung ersten Ranges', zumal wenn man sich eingcstehen muß, daß mgn sie zur Stelle haben könnte durch ein Wort uud einen Federstrich!

Was soll ich Ihnen von Lord Raglan schreiben? Er ist noch nicht hier an­gelangt, aber das Gerücht war bezeichnend, welches ihn an vergangener Mittwoch auf der Rückreise begriffen sein ließ. Wenn ich von General Canrobcrt schrieb, er sei ein vortrefflicher General No. 2>, so wollen Sie das ja nicht auf den bri­tischen Fcldmarschall anwenden; meine Ansicht über ihn ist zumeist nach den Mit­theilungen englischer Offiziere aus dem Lager von Balaklava gebildet, die ich dann und wann Gelegenheit hatte, einzusehen, und es läuft daraus hinaus, daß Mylord in jeder Stellung eine beschwerliche Zugabe zu der Armee sein würde, die mit sei­ner Attachirung beehrt werden möchte. Aber cin Zugeständniß muß man ihm machen: eine größere Ruhe und Kaltblütigkeit im Feuer zu beweise», wie er, ist unmöglich. Hätte eine fatalistische Kugel bei Jnkcrmau ihn ereilt, so würde man ihn höchst wahrscheinlich als einen der Bewunderung werthen Helden feiern. Das Urtheil über ihn schlug erst nach diesem Tage um.

--22. Februar. Der Donner der osmanischen Kanonen, welcher

am letzten Montag Nachmittag dem Baron von Brück das Geleit gab, muß in dem Herzen dieses Staatsmannes besonders gcnugthueude und stolze Gefühle hervorge­rufen haben. Sowie er ging von hier kaum jemals ein andrer östreichischer Bot­schafter: von allen Nationalitäten, welche in Pcra vertreten sind, geehrt als eine ausnahmsweise Erscheinung angesehen, deren längeres Verweilen an hiesiger Stelle man gern gesehen haben würde und in den Türken die Erinnerung zurück­lassend, daß er es gewesen, welcher den Vertrag zu Schutz und Trutz zwischen den beiden Kaiserreichen zustandegebracht.

Von dem neuen östreichischen Botschafter, Baron Kollar, weiß man hier sich noch wenig zu erzählen. Nach dem Eindruck zu urtheilen, den sein erstes Auf­treten gemacht, wird er kaum im Stande sein, auch nur annähernd die weite Lücke auszufüllen, welche Herr von Brück hinter sich läßt; auch strebt er wol kaum dar­nach. Uud dennoch kaun man sich nicht verhehlen, daß es dem k. k. Eabinct von höchstem Werthe sein müßte, in Hinsicht auf die Geltung seiner Vertretung an dieser Stelle keine Einbuße zn erleiden. Ich werde nicht verfehlen, Ihnen eine Cha­rakteristik der neu eingetretenen Persönlichkeit zu geben, sobald ich die Züge zu einer Porträtskizze werde gesammelt haben. Bis dahin vermochte ich dieses noch nicht.

Während die letztvcrgangcnen Wochen mit ihrem reinen klaren Himmel und warmem Sonnenschein den Frühling einzuleiten schienen, hat uns plötzlich ein Sturm aus Norbost, welcher iu der Nacht vom Montag zum Dieustag (-19. bis S0. Febr.) tobte, wieder mitten in den Winter zurückgeworfen. Der Schnee, welcher fußhoch fiel, ist auf den Straßen zwar wieder verschwunden, aber auf den Dächern der hunderttausend Häuser erhält er sich und gibt dem weiten Stambul das Ansehen einer nordischen Stadt. Ich machte gestern dieselbe Fahrt aus dem goldenen Horn

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