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Correspondenzen.
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waren Schraubenschiffe und schwer bewaffnet. Die Zahl der kleineren Dampfer war mindestens zehn. Man schiffte auf einer Anzahl kleiner Segelboote vom Bord des englischen Schiffes soeben Verwundete und Halberfrorene «.wie ich vermuthete) nach Skutari hinüber. Dann uud wann klang der Ton des durchs Sprachrohr gegebenen Kommandos der Schiffsofstzicrc zu mir herüber.

Der Punkt, den ich mir zur Ueberschan gewählt hatte, war früher unter dem Namen des Bejildim Köschk (Kiosk) bekannt. Heute nennt man ihn:hinter dem neuen Palais" oderoberhalb der Gcwchrfabrik". Letztere ist ein Gebäude rechts im Thale. Es ist groß, aber unschön und wird ganz durch den Hochbau der hinter­wärts auf der Höhe thronenden mächtigen mcdicinischen Schule, die nun eiu fran­zösisches Lazarett) geworden ist, in Schatten gestellt. Bei dem allen ist das Thal zwischen dem Bejildim Köschk und jenem Palais eines der reizendsten, die es hier gibt. Man nennt es Dolma Bagdsche Dcre (Thal des ausgefüllten Gartens). Es ist direct nach Süden gewendet und der Frühling kehrt hier schon ein. wenn das Plateau, welches sich vom Eingange der großen Perastraße bis Bujnkdere erstreckt, noch lauge von rauhen Nord- und Ostwinden gefegt wird. Heute sprießen schon Schneeglöckchen dort, im hohen, üppigen Grase finden sich einzelne Veilchen verstreut, und die aus den Rabatten sorgsam gepflegten Rosen haben vielfach ihre Knospen entfaltet.

In dieses Thal hinein wird sich dereinst die große Straße senken, von der ich eben.schrieb. Sie wird mittelst desselben den bequemsten Niedergang zum stattlichen Äaiscrpalaste *) finden. Alsdann dürfte auf der engen und wol ganz mit Häusern besetzten Thälsohle kein Raum mehr für die erwähnten duftigen Gärten sein. Sie werden alsdann muthmaßlich terrassenförmig die Thalwände hinangeiegt werden; wo jetzt jener grüne Nasen seine frische und tiefe Smaragdfarbe lenchten läßt, werden dann die dunklen Cypressen und der Lorbeer sich ausbreiten; unten der Lärm des drängenden Verkehrs und oben das Rauschen des Südwindes in den Zweigen.

--29. Januar. In meinen Briefen an Sie habe ich schon öfter des bunten

Gemisches von Costümen Erwähnung gethan, welches dem Betreibe aus den hie­sigen Straßen einen ganz besonderen malerischen Reiz verleiht. Der Araber in seinem dunklen oder lichten Burnus neben dem Tschcrkessen; der Alttürke mit brei­tem Bnnd; der schmncke Grieche in der reich gestickten Jacke mit fliegenden Aermcl»; der hochgeschürzte Albanese, der Zigenner, der Kurde; dazwischen fränkische Herren im Paletot nnd im modernen Gummircgenmantel. Als die ersten französischen und englischen Truppen anlangten, nahm die Buntheit des Gedränges noch zu. Cavalerie, Infanterie, Artillerie .... von allen Regimentern, so schien es, hatte England, von seinen meisten Frankreich Repräsentanten gesendet. Die meiste Aufmerksamkeit zogen die schwer geharnischten Kürassiere Napoleons III. und ihrer britischen Majestät Hochländer aus sich. Seit drei Tagen sind den Uniformen, die sich bis dahin hier eingeführt hatten, neue gefolgt: die Kaisergarde ist angelangt; selbstredend nicht die ganze; indeß immerhin eine bedeutende Abtheilung. Die Rocke sind die nämlichen, in welche der große Napoleon seine Veteranen kleidete;

*) Zum Palaiö von Dolma Bagdsche.