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Korrespondenzen.
Kvnstantillvpel, 23. Januar. — Drei Punkte sind cS in diesem Augenblick, in welchen die geschiedenen Actionen dieses Krieges ihre Centren finden: Konstantinopel, Varna und das Terrain vor Sewastopol. Letzteres ist Entscheidungs- stelle; erstere sind Vorbereitungsstätten. Gleichwie Konstantinopel der letzte Stationsplatz ans der langen Linie von England und Frankreich nach der Krim ist und zwischen hier und dort in letzter Instanz vermittelt, so ist Varna ein Bindeglied zwischen den Hilfsmitteln und Streitkrästcn nordwärts vom Balkan und dem tau- rischcn Kriegsschauplatz.
Sollte Oestreich mit Rußland definitiv brechen, so würde es um vieles wahrscheinlicher sein, daß seine Streitkräste sich bei Varna wie a» der Donau, oder gar am Prnth, mit denen der Verbündeten die Hand reichten: die letzteren sind nämlich, wie sich mehr und mehr herausstellt, unfähig zu tiefer ins Land eingreifenden Operationen; der Gcstadekrcis des Pontns wird, soscrn man ihren Train nicht beweglich macht, zugleich die Grenze ihrer Bewegungen bleiben; ja es kann in Zweifel gezogen werden, ob die vor Sewastopol, engagirten Divisionen jemals imstande- gcwcsen sein würden, den Marsch von Eupatoria nach Perekop zu vollführen. Gegenwärtig sind sie dies notorisch nicht.
Wie ich höre, ist neuerdings diese Sachlage in Paris gewürdigt worden und es sollen Maßregeln getroffen worden sein, um den Krieg sranzösisch-englischerseits für den Fall, daß eine Ausgleichung nicht zustandekvmmt, mit Hilfe eines neuorga- nisirten Transport' und Verpflegungssystems im verbesserten Stile fortzusetzen. Hierauf deuten anch einige Vorkehrungen hin, welche in den letzten Wochen am hiesigen Orte getroffen wurden und die sich in Varna wiederholten. Man errichtet nämlich sranzofischerscits große Werkstätten, behufs der schnellen Herstellung einer großen Anzahl von Fouragewagen; im Lande reisen weit und breit Offiziere und militärische Agenten umher, um einheimische Zugpferde anzukaufen; außerdem werden große Massen lebenden Viehs angekauft und einstweilen aus den großen Wiescn- gründen, die sich am Busen von Saros um Enos her ausdehnen, ernährt.
Gewinnen die Operationen in der Krim im nächsten Frühjahr neues Leben, so ist es daher sehr wahrscheinlich, daß wir andre Actionen wie die seitherigen erleben, und nicht nur eine verbündete Armee dort wissen werden, welche sich tapser zu schlage», sondern auch dem Feind aus den Fersen zu folgen weiß.
Nachrichten von Interesse sind aus der wünschen Halbinsel jüngst nicht hier eingegangen. Dagegen bezeugen die zahlreich hierher gebrachten Soldaten mit erfrorenen Armen und Beinen,'daß der Frost dort von weit intensiverer Natur, wie in Stambul ist. Die Baracken langen endlich in großer Anzahl an, und in diesem Augenblick dürsten sich bereits mindestens 23,000 Mann wohlgesichert und warm unter Dach und Fach befinden. Auch das Material für die Eisenbahn von Balakava zum Lager soll zum größeren Theil in jenem Hasenort eingetroffen sein .... ob auch ausgeladen ist freilich eine andre Frage.
Man ist hier nicht ohne Sorge um das Geschick der bei Eupatoria ausgeschifften Armee Omer Paschas. Dumpfen Gerüchten nach würde russischerseits gegen dieselbe